Mittwoch, 21.01.2015 - Dritte Tagesfahrt mit dem PKW in Madeiras Osten
Ein letztes Mal sind wir heute mit dem Mietwagen unterwegs. Es geht in den Südosten Madeiras, beginnend mit einem der höchsten Gipfel der Insel, dem Pico Arieiro, danach zum Aussichtspunkt Montado do Paredão, dann weiter zu den Korbflechtern nach Camacha und abschließend zur Halbinsel Ponta de São Lourenço im äußersten Osten Madeiras.
Wir folgen den Straßenzügen, die wir am vergangenen Samstag noch mit dem Bus befahren haben. Zwar muss Michael nun selbst fahren, doch sind wir gut ausgeruht und haben nun endlich einmal die Möglichkeit an dem einen oder anderen Aussichtspunkt zu halten, um unsere Blicke in die Ferne schweifen zu lassen oder ein paar Fotos zu machen. Von Aussichtspunkten zu reden ist zunächst noch etwas verwegen, denn solange wir uns durch die Ausläufer Funchals den Berg hinauf schrauben, ist die Bebauung viel zu engständig, als dass sich genügend Platz für eine Aussichtsplattform
nebst zugehörigen Parkplätzen böte. Hier leistet unser Wägelchen gute Dienste, denn der Up! passt wirklich in die kleinste Parklücke. Lange verweilen wir allerdings nie an diesen Nothaltepunkten, denn der beständig fließende Verkehr lässt einem nicht wirklich zur Ruhe kommen.
Auch heute lassen wir den Ort Monte und den Tropengarten Monte Palace rechts liegen. Unsere heutige Tour ist ohnehin schon recht ambitioniert und so bewegen wir uns unverrichteter Dinge zügig weiter bergauf und stoßen schließlich wenige km oberhalb Monte in den bewaldeten Teil des Gebirgskammes vor. Die ersten Ausläufer des Bergwaldes erscheinen zunächst noch etwas verwildert und unansehnlich, doch die Estrada Regional ER 103 bringt dieses Teilstück rasch hinter sich und schraubt sich in mehreren Serpentinen rasch nach oben, um danach die Flanken des 1129 m hohen Pico Alto zu erreichen.
Wir sehen Reste lichter Nadelholzwälder, die einem der immer wieder auftretenden Waldbrände zum Opfer gefallen sind. Ein Einheimischer berichtete uns, dass neben der naturgegebenen Trockenheit auch das Anlegen der Eukalyptuswälder hierfür maßgeblich verantwortlich sei, denn diese Hölzer würden wie Zunder brennen und wirkten deshalb als Brandbeschleuniger. Gleich neben dem Brandherd treffen wir dann
auf die Übeltäter. Welchen Nutzen diese Eukalyptushölzer haben mögen, können wir nicht beurteilen, doch ihr abwechslungsreiches Erscheinungsbild hat durchaus einen besonderen Reiz.
Kurz hinter dem Berggasthof Casa de Abrigo do Poiso biegen wir von der ER103 auf die ER 202 in Richtung Pico Arieiro ab. Schnell lässt die beständig ansteigende Straße nun die Waldgrenze hinter sich und kaum haben wir die offenen Bergflächen erreicht, bläst uns schon wieder ein garstiger, kalter Wind ins Gesicht. Die von Norden gegen den Gebirgskamm stoßenden, feuchten Winde formieren sich mit zunehmender Höhe zu immer dichteren Wolken, die jenseits der Wasserscheide gleich wieder von der wärmenden Sonne aufgelöst werden. Es scheint, als könne der Himmel sich nicht so recht entscheiden, ob er denn den ganzen Gebirgskamm jetzt endgültig mit seinen weißgrauen Schleiern überziehen möchte, oder ob er ihn freigibt, was uns natürlich trotz der niederen Temperaturen mehr als gelegen käme. Wir bewegen uns jedenfalls bis auf Weiteres in einem Zwielicht, das mal einige hundert Meter, mal einige wenige Kilometer -Fernsicht zulässt, dabei die verbliebene, niedere Vegetation in leuchtend gelbgrüne Farbtöne taucht und so immer wieder neu in Szene setzt.
Endlich am Parkplatz des Pico Arieiro angekommen, schwindet jede Hoffnung auf einen Ausblick auf die grandiosen Gipfel im Umfeld. Die Damen machen angesichts des garstigen Wetters erst gar keine Anstalten, hier auszusteigen. Michaels Hoffnung stirb wieder einmal zuletzt. Der muss trotz widriger Umstände zumindest einmal die nähere Umgebung erkunden. Vielleicht tut sich ja doch noch etwas. Der heftig blasende, eiskalte Wind treibt Michael jedoch recht bald schon die Tränen in die Augen, sodass an Fotografieren nicht mehr zu denken ist. Nun sind wir endgültig mit dem Versuch gescheitert, die Hochflächen Madeiras in Augenschein zu nehmen. Alles wäre halb so schlimm, wenn Michael nicht wüsste, was sich hinter den Grauschleiern verbirgt. Trübsal blasen hilft aber auch nicht, wir müssen umkehren.
Auf dem Rückweg treffen wir 200 Höhenmeter unterhalb des Pico Arieiro bzw. nach 2,5 km Kilometern Fahrt auf eine kleine Nebenstraße, die von der ER202 in westliche Richtung bzw. Curral das Freiras abzweigt. Die Nebelschwaden haben sich in dieser Höhe schon wieder verflüchtigt und nehmen nach Süden, in Richtung der Sonnenseite Madeiras weiter ab, sodass hier vielleicht doch noch die Chance bestünde auf einen schönen Aussichtspunkt zu treffen. Das schmale Asphaltband ist in gutem Zustand, aber wir sind nicht ganz schlüssig, ob es sich um eine offizielle Straße handelt, denn wir finden keine Beschilderung, die hier Klarheit schaffen könnte. Nach Michaels Lesart ist in solchen Fällen erst einmal alles erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist. Also fahren wir einfach mal los. Sollte die Straße gesperrt sein oder uns einer der Ranger zurechtweisen, können wir immer noch ein dummes Gesicht machen und auf unsere sprachliche Inkompetenz verweisen.
Schon kurz hinter der Abfahrt stellt sich heraus, dass die von uns bereits ins Auge gefassten Entschuldigungsformeln völlig unnötig sind, denn ein entgegenkommendes Fahrzeug der Forstbehörde macht keine Anstalten, uns auf ein mögliches Fehlverhalten hinzuweisen. Darüber hinaus entwickelt sich die Landschaft prächtig, die Aussichten werden immer besser und während wir nur wenige Kilometer weiter oben noch froren, heizt die Sonne nun wieder derart ein, dass wir die Fenster etwas herunterfahren müssen, weil es uns im Fahrzeug schon wieder zu warm ist.
Nach etwa 6 Kilometern Strecke, die wir allerdings aufgrund zahlreicher Stopps nur langsam vorankommen, erreichen wir in etwa 1.400 m Höhe Montado do Paredão. Wie in den nachfolgenden Fotoaufnahmen gut zu erkennen ist, handelt es sich hierbei um eine Kuppe mit bevorzugter Lage unmittelbar westlich der von uns befahrenen Nebenstraße, auf deren Nord- und Südseite man Aussichtsplattformen errichtet hat, von denen aus man einen herrlichen Ausblick über das Nonnental oder Funchal und den Atlantik südlich der Insel hat. Weil die Aussichtspunkte südlich der Wasserscheide und 400 m unterhalb des Pico Arieiro liegen, ist die Wahrscheinlichkeit auch unter widrigen
Witterungsbedingungen noch den Ausblick genießen zu können hier unten um
einiges höher als auf dem Gebirgskamm.
Die Zuwegung ist im Topzustand, wurden die Aussichtspunkte am Montado do Paredão
doch erst im Dezember 2014 der Öffentlichkeit übergeben. Am Rande der Straße hat man einen kleinen Parkplatz eingerichtet, der zumindest im Winter ausreicht, die Fahrzeuge der wenigen Besucher aufzunehmen. Nach dem garstigen Wetter oben auf dem Kamm freuen wir uns hier unten endlich wieder das Fahrzeug verlassen zu können. Zunächst folgen wir dem mit Verbundsteinpflaster versiegelten Weg zur Aussichtsplattform über dem Nonnental. Zu Bergseite hin hat man beim Anlegen des Weges den Fels angeschnitten und hierdurch die unterschiedlichsten vulkanischen Auswurfprodukte freigelegt, die mit ihren roten, braunen und blaugrauen Erdfarben den Besucher erfreuen. Vermutlich wird dieser schöne Anblick nicht für alle Zeiten erhalten bleiben, denn die lokale Pflanzenwelt wird den Geländeanschnitt über kurz oder lang besiedeln und damit die Wunde, die dem Berg hier zugefügt wurde, wieder zudecken. Die gegenüberliegende Wegbegrenzung bildet ein massiger Holzzaun, mit einer geometrischen Anordnung der Holzelemente. Schon auf dem gesamten Weg hat man einen recht schönen Ausblick in Richtung des Nonnentals, den schönsten Ausblick hat man dann aber doch von der Aussichtsplattform am Ende des Weges. Winzig erscheinen die Gebäude am Fuß der steil abfallenden Gebirgsflanke, über der unsere Aussichtsplattform thront. Leider sind wir ein wenig zu früh, denn die Sonne steht noch nicht im Zenit und so wechseln in kurzen Abständen schattige und lichtdurchflutete Flecken einander ab, was den Fotoaufnahmen überhaupt nicht guttut. Michael könnte gut noch eine Stunde hier warten, bis die Belichtung passt, aber die Damen können sich etwas Besseres vorstellen. Fotobanausen in Überzahl! Was will man da machen? Also geht es zurück bis fast an die Straße, um von dort aus auf den südlichen Trail mit Ausblick in Richtung Funchal zu gelangen. Auf dieser Seite fällt die Kuppe etwas weniger steil ab, sodass man die Geländeoberfläche kaum anschneiden, sondern nur etwas stärker planieren musste. Der Weg ist naturnah, mit Schotter befestigt. Dem Fußgänger mag das egal sein, für Rollstuhlfahrer ist es sicherlich etwas mühsamer, zumal beide Wege leicht ansteigend verlaufen. Prinzipiell ist die Zuwegung aber auf beiden Seiten der Kuppe behindertengerecht ausgeführt, sodass hier niemandem die schönen Aussichten verwehrt werden.
Südlich der Kuppe fehlen steil abfallende Gebirgsflanken. Hier kann die Sonne die in Richtung Funchal kontinuierlich absteigenden Hänge gut ausleuchten. Weit reicht die Sicht über die Stadt und das Meer in die Ferne und man kann sich gar nicht satt sehen. Die felsige Umgebung hat die Sonnenstrahlen in sich aufgenommen und versorgt uns trotz der Höhe mit angenehmen Temperaturen. Ja, hier kann man es wirklich aushalten.
So richtig Strecke gemacht haben wir heute noch nicht, also machen wir uns auf den Weg, um das Tagespensum am Ende möglichst noch zu schaffen. Wir folgen der ER202 in Richtung Restaurante Casa de Abrigo do poiso, einer Berggaststätte an der Straßenkreuzung ER202 und der ER103. Letztere führt nördlich des Passes in Richtung Santana. Obwohl die Berggaststätte in annähernd derselben Höhe liegt wie unser soeben besuchter Aussichtspunkt Montado do Paredão, ist es nun wieder deutlich kühler. Der Gasthof liegt nämlich unmittelbar an der Wasserscheide und die am Nordhang des Gebirges aufsteigenden feuchten Nebel haben den Gasthof und seine Umgebung einen Großteil des Jahres voll im Griff, was auch daran zu erkennen ist, dass so mancher Baum mit Bartflechten geschmückt ist.
Das Wirtshaus entspricht mit seinem Natursteinmauerwerk und seinem gesamten Interieur unserem Bild von einem Berggasthof. Dazu passt auch der trotz einer ausreichenden Anzahl an Fenstern immer noch dunkel wirkende Gastraum. Es ist wenig Betrieb, was allerdings nichts zu sagen hat, denn die Einheimischen sind sicher bestens über die Wetteraussichten informiert und haben unter der Woche wohl Besseres zu tun. Ein paar Waldarbeiter stehen an der Theke und plaudern mit dem Wirt. Es dauert deshalb einen Moment bis wir zur Kenntnis genommen werden und noch einiges länger bis der bestellte Kaffee auf unserem Tisch erscheint. Der Kaffee ist dann auch nicht wirklich eine Offenbarung. Und hatten wir uns zunächst noch überlegt hier eine Kleinigkeit zu Essen, sind wir nun davon abgekommen, weil wir nicht abzuschätzen vermögen wie lange das wohl dauern könnte. Aus einem Besuch lässt sich allerdings statistisch überhaupt nichts ableiten, also wollen wir einmal annehmen, dass wir den schlechtesten Tag der Woche erwischt haben oder unsere mitteleuropäische Vorstellung vom Sofortvollzug in diesen Gefilden unangemessen ist. Immerhin verlassen wir den Gasthof mit gewärmtem Brust- und Bauchraum.
Vom Casa de Abrigo do poiso folgen wir der Estrada Regional 203 und danach der ER102 in Richtung der Korbflechterstadt Camacha. Die Straße erweist sich dank zahlreicher Schlaglöcher für unseren tiefliegenden VW Up! als wahre Herausforderung. Notgedrungen fahren wir Schlangenlinien. Zum Glück hält sich der Verkehr in Grenzen, aber einige Male kommt uns dann doch ein Einheimischer entgegen, und schaut etwas irritiert wegen unserer raumgreifenden Fortbewegungsart.
Als wir Camacha endlich erreichen, sind wir etwas irritiert. Zum einen hatte Lina kräftig die Werbetrommel gerührt, zum anderen fanden wir das Städtchen im Netz als pittoresk, also malerisch beschrieben und die Korbflechterei wurde in den höchsten Tönen gepriesen. Und so hatte sich der Eindruck festgesetzt, hier bestehe die halbe Stadt aus Korbflechtern und man träfe zumindest auf einen zentralen Platz, an dem sich Korbflechter an Korbflechter reiht, um seine Waren anzupreisen. Von all dem war nichts zu sehen und weil die Stadt aufgrund ihrer hügeligen Lage einem Neuling ohnehin etwas unübersichtlich erscheint, haben wir einige Runden gedreht bis wir dann tatsächlich die Kooperative im Gebäudekomplex Cafe Relogio, Zufahrt von der ER102 über die Rua David Eleutério Nóbrega gefunden haben.
Neben den Korbwaren für den alltäglichen Gebrauch findet man hier eine ganze Reihe kunstvoll geflochtener Exponate, die sich überwiegend auf die Abbildung von Tieren konzentrieren oder Möbelstücke aller Art. Diese besonders gelungenen oder großen Stücke anzufertigen, erfordert einen hohen zeitlichen Aufwand, was sich dann natürlich auch in einem entsprechenden Preis ausdrückt. Bestimmt gibt es Liebhaber, die willens und in der Lage sind diese Preise auch zu bezahlen, doch die Zahl dieser Liebhaber ist begrenzt uns so sind die besten Zeiten für Korbflechter sicherlich vorbei. Vermutlich ist es aber auch eine Generationenfrage. Während Lina immer noch Feuer und Flamme für die hohe Kunst der Flechter ist, was vielleicht auch mit ihrer vorzüglichen Handarbeitskunst zusammenhängt, erkennt Michael zwar auch das große Geschick, welches zum Anfertigen all der tollen Exponate notwendig ist, an, würde sich aber mehrfach überlegen, ob er das notwendige Kleingeld nicht besser in seine
Kameraausrüstung investiert.
Von Camacha brechen wir zu unserem letzten Tagesziel, der Halbinsel Ponta de São Lourenço, östlich der Städtchen Machico und Canical gelegen, auf. Während wir uns mit unserem Fahrzeug langsam die Hänge hinunterschlängeln können wir die Halbinsel hinter einem dünnen Dunstschleier schon von weitem ausmachen. Hinter Caniçal, der ältesten Gemeinde der Insel, folgen wir der ER214 bis zum Ende der Straße, das wir nach wenigen Kilometern erreichen. Ein schöner blauer Himmel wird uns zum Abschluss nicht geboten, aber es bleibt wenigstens trocken, als wir zu einer kleinen Wanderung aufbrechen. Dieser Teil der Insel hat seine Ursprünglichkeit bewahrt
Aufschluss mit annähernd horizontal abgelagerten vulkanischen Produkten auf der Halbinsel Ponta de São Lourenço. Die horizontal lagernden Gesteine kreuzen zwei senkrecht verlaufenden Dikes (Pfeile unten). Dikes sind Gesteinskörper aus magmatischem Gestein, die größere Spalten ausfüllen und das umgebende Gestein schneiden oder durchkreuzen. Winzig die Wandergruppe oberhalb der Felswand (Pfeil oben).
Dieser Aufschluss mit Pillow- oder Kissenlava deutet darauf hin, dass dieses Areal unterhalb der Wasserlinie entstanden ist. Entweder wurde der Landstrich später angehoben oder der Meeresspiegel hat sich nach der Ausbildung der Pillows abgesenkt.
Tosende Gicht bei Pedra Furada (vgl. Detailkärtchen oben) bzw. Ponta do Castelo auf der Nordseite der Ponta de São Lourenço. Das Foto wurde von einem Parkplatz 1 km westlich Pedra Furada bzw. am Aussichtspunkt Miradouro Ponta de Sao Vicente aufgenommen.
Auch an diesem Aufschluss bei Pedra Furada kreuzen zahlreiche Dikes horizontal abgelagerte vulkanische Gesteine und Auswurfprodukte. In der Regel sind die Gesteine der Dikes härter als zum Beispiel vulkanische Aschen und Schlacken, sodass letztere zuerst erodiert werden und die Dikes anschließend, wie im Blockbild dargestellt heraus präpariert werden. Eine solche Entwicklung steckt hier noch in den Anfängen, lässt sich aber bei genauer Beobachtung bereits erkennen. Die aus dem Meer herausragenden Felsspitzen sind vermutlich Fortsätze der in der Steilwand erkennbaren Dikes.