Do., 25.02.2016, ***Auberge Les Pyramides, Merzouga, 108 km
Rissani empfängt uns mit seinem prächtigen Stadttor. Die Pracht der dahinter anschließenden Straßen und Plätze und auch die der Souks fällt dann aber deutlich ab. Die Händler haben es allerdings auch nicht einfach. Aus den staubtrockenen, vegetationsarmen Freiflächen in Stadtgebiet wird schon bei wenig Wind beständig feiner Staub aufgewirbelt, der über offene Bogengänge und löchrige Dachabdeckungen in die Souks eindringt. Da hilft nur in regelmäßigen Abständen mit etwas Wasser den Boden zu befeuchten, den Kehricht in die Abflussrinnen zu befördern und fortzuspülen.
Dem verweichlichten Europäer wird flau im Magen beim Anblick dieser Fleischergasse. Null Kühlung bei diesen Temperaturen, an wärmere Jahreszeiten mag man gar nicht denken. Kühlketten können hier jedenfalls nicht unterbrochen werden. Andererseits ist es ja auch nicht so, dass die Marokkaner umfallen wie die Fliegen. In jedem Fall lautet die Devise: Gut durchbraten, im Zweifel lieber das Fleisch tot kochen. Oder vielleicht Vegetarier werden? Welch garstiges Gedankengut, wo wir bereits seit 2 Wochen keinen Tropfen Alkohol getrunken haben!
Nachdem unser erster Versuch einer Dünenbesteigung gestern kläglich gescheitert ist, versucht Michael heute alleine sein Glück. Wie er die Sache taktisch angehen muss, konnte er gestern an den Kamelspuren ablesen. Wie kommen die Leute nur darauf, Kamele als blöde anzusehen.
Irgendwie hat man das Gefühl nicht so recht voranzukommen, schließlich steht man aber dann doch vor dem Anstieg zum zentralen Dünenfeld und nun wird es erst richtig anstrengend. Den ganzen Tag schon gingen immer wieder kleine Gruppen, teils zu Fuß, teils von Kamelen getragen, den schmalen Grat hinauf und von weitem sah das alles sehr einfach, fast elegant aus. Doch das täuscht, wie man spätestens nach den ersten paar dutzend Schritten feststellt, und jetzt versteht man auch den gemächlichen Schritt all dieser kleinen Karawanen. Obwohl der Pfad schon ein wenig ausgetreten ist und das beständig blasende, laue Lüftchen die Reparaturarbeiten noch nicht abschließen konnte, gibt der Sand bei jedem Schritt nach und der erhoffte Höhengewinn schmilzt wie Eis in der Sonne. Auch fehlt beim Abstoßen das Fundament, das man beim Begehen versiegelter Flächen unter sich weiß. Die Tatsache, dass sich bei diesem Untergrund alles anders verhält, als man es aufgrund seiner Erfahrungen gewohnt ist, hat etwas Demoralisierendes.
Also unterteilt er den Anstieg in viele kleine Abschnitte, macht nach jedem erreichten Teilziel eine kurze Pause, blickt nach hinten, um sich des bereits erzielten Höhengewinns zu versichern und sich aufzubauen und bekämpft so die fehlende Physis psychologisch. Das funktioniert am Anfang recht gut. Allerdings stellt Michael erneut fest, dass die zu bewältigende Strecke größer als geschätzt ist und so droht die Sache am Ende doch noch aus dem Ruder zu laufen. Aber dann ist eine erste Anhöhe in Sicht und der Weg nun weniger beschwerlich.
Auf der Ostseite des Dünenkammes sind Übernachtungsplätze für Touristen eingerichtet. Dem flüchtigen Durchreisenden wird hier suggeriert, man sei mitten in der Wüste ganz allein, mit wenigen anderen Besuchern. Tatsächlich ist das komplette Dünenfeld in diesem Bereich gerade einmal 4 km breit und die Camps liegen oft nur zwei, drei Dünenfelder auseinander.
Fr., 26.02.2016, *** Ksar Timnay Hotel, bei Midelt, 320 km
Ödnis zwischen Erfoud und Lamaarka. Von Merzouga geht es nach Erfoud und dann entlang der N13 immer weiter nach Norden mit dem Tagesziel Midelt. Eigentlich wollten wir diesen Weg überhaupt nicht fahren, doch unser Hausherr Ali meinte, die N12 von Rissani nach Tazzarine sei relativ öde und für Touristen gebe es da eigentlich nichts zu sehen. Also ändert Michael kurzfristig den Plan, beschließt nach Norden in Richtung Atlas aufzubrechen, diesen erneut zu durchqueren, um sich dann auf dessen Nordseite wieder in Richtung Marrakesch zu orientieren. Nachdem wir die letzten Grünflächen Erfouds hinter uns gelassen haben, wird die Landschaft zunächst wieder wüstenhaft und öd. Zu allem Überfluss begleitet und straßennah auch noch ein lang aushaltende Baustelle, sodass wir noch nicht einmal vernünftige Fotos machen können.
Gut 15 km nördlich Erfoud treffen wir dann wieder auf das 12 km lange grüne Band einer Oase, die vom Ziz-Fluss gespeist wird. Zunächst hält dieses noch Abstand zur Straße, nähert sich dann aber rasch an und die N 13 bildet nun einige km lang die scharfe Grenze zwischen dem lebendigen Grünstreifen und nahezu totem Ödland im Osten.
Etwa 50 km nördlich Erfoud und 15 km südöstlich Errachidia erreichen wir an der Wegegabel von N13 und N10 die Source Bleu. Die Einfahrt ist ziemlich unscheinbar und hätten wir nicht die eine oder andere Reisebeschreibung inklusive entsprechender Fotos gesehen, würden wir vielleicht unverrichteter Dinge gleich weiterfahren. Unten empfängt uns ein herrlicher Palmenhain, dessen Zuwegung mit einer Schranke verschlossen ist, an der wir 5 MDH Eintritt berappen müssen.
Natürlich gibt es auch die unvermeidlichen Verkaufsstände einiger Händler, die, kaum haben wir unser Auto abgestellt, gleich auf uns zukommen, um uns zum Tee „einzuladen“. Wir lehnen dankend ab, mit dem Hinweis gerade erst Tee getrunken zu haben und sehen uns in der Anlage um.
Die wenigen Aussichtspunkte sind ein willkommener Anlass unser Gefährt einmal abzustellen, sich die Füße zu vertreten und ein paar Fotos zu machen. Leider machen wir gelegentlich auch wieder schlechte Erfahrungen mit fliegenden Händlern, die uns allerlei Überflüssiges aufschwatzen wollen. Man kann es irgendwie verstehen, von irgendetwas müssen die Leute ja auch leben, aber in der Summe ist es dann doch recht nervig.
Es ist immer wieder erstaunlich, in welch kurzen Abständen horizontal lagernde und stark einfallende Sedimentpakete einander ablösen. Mustergültig auch zu erkennen, wie die harten Gesteinsbänke die Steilstufen ausbilden, während die weniger verwitterungsresistenten Gesteine flachere Hänge ausformen.
In Midelt machen wir Rast, bestellen zwei Tajinen zu 70 MDH und werden überreichlich bewirtet. Der Salat schmeckt ein wenig fade, aber ansonsten können wir nicht klagen. Die Toiletten sind allerdings in einem erbärmlichen Zustand. Da helfen nur noch unsere Desinfektionstücher, die Angelika in weiser Voraussicht immer griffbereit hat.
Innen setzt sich das positive Bild nahtlos fort. Wir haben massig Platz, es ist alles sehr liebevoll eingerichtet, sauber und abgesehen vom Internetempfang und dem Fernsehgerät sind wir begeistert. Mit 450 MDH erscheint der Preis für diese abgelegene Gegend etwas hoch, doch tags darauf lässt man sich auch beim Frühstück nicht lumpen.
Sa., 27.02.2016, ***Kasbah Auberge Ennakhile, Nkob, 511 km
Während wir genüsslich frühstücken, zieht der Himmel immer mehr zu. Der Wind frischt auf, der Nieselregen geht in Schnee über und beim Blick nach draußen verspüren wir überhaupt keine Eile von hier fortzukommen. Wir sind schon kurz davor noch eine weitere Nacht hier zu verbringen, als wir uns am späten Vormittag doch noch entschließen weiterzufahren.
Der Plan war, das schlechte Wetter erst einmal auszusitzen, in der Hoffnung, mit der aufsteigenden Sonne würde der Himmel aufklaren und sich alles zum Guten wenden. Als Michael den Zimmerschlüssel abgibt, fragt er den Rezeptionisten noch einmal nach den Aussichten. Der macht ein Gesicht, als wüste er schon viel mehr als er sagen möchte und meint dann, wir sollten uns beeilen, ansonsten könne es sein, dass wir nicht mehr über den Pass kommen.
Trotz immer wieder einsetzenden Schneetreibens bleibt die weiße Pracht zumindest nicht liegen und einige Bremsmanöver geben uns ein gutes Gefühl. Nach 8 km Strecke biegen wir dann in der Ortschaft Zaida von der N 13 nach Südwesten auf die R503 in Richtung Pass ab.
Gleich hinter Zaida beginnt die Straße nun kontinuierlich aufzusteigen und die eben noch feuchte Straße verwandelt sich in eine schmierige Schneematsch-Piste. Weitere Bremstests versetzen unser Gefährt jetzt ins Gleiten, aber es gleitet schön geradeaus und weil die Straße nur bedächtig ansteigt, haben wir immer noch die Hoffnung, dass wir den Pass recht bald erreichen und der Spuk ein Ende hat. Nach weiteren zwei Kilometern Strecke plötzlich ein Stau. Zunächst vermuten wir, dass sich die darin befindlichen LKW festgefahren haben und setzen vorsichtig zum Überholen an.
Doch schon nach wenigen Fahrzeugen stehen wir vor der Schranke, die den Zugang zum Pass sperrt. Wir fragen einen Polizisten, wie lange es denn dauern könnte, bis die Straße geräumt sei. Der teilt uns mit südländischer Gelassenheit mit, dass es hier heute auf keinen Fall weitergehe und wie es dann morgen aussehen wird, vermag er nicht zu beurteilen. Wir fahren zurück zur N13 und wollen den Atlas auf dieser überwinden, wenn gleich es einige km Umweg sind. Doch auch dort steht Polizei und fordert zum Wenden auf. Schweren Herzens fassen wir den Entschluss, den ganzen Weg nach Erfoud zurückzufahren, um dem Wintersturm, der offensichtlich den ganzen Atlasraum im Griff hat, auszuweichen.
Kaum purzeln auf dem Weg gen Süden die Höhenmeter, verschwinden Eis und Schnee so schnell wie sie gekommen waren. Der seit Stunden beständig wehende Wind sorgt nun allerdings dafür, dass wir vom Schneesturm in einen Sandsturm geraten. Zum Glück wird gerade so viel Sand aufgewirbelt, dass es sich noch ohne Probleme fahren lässt. Ob das allerdings auf unserem Weg nach Süden so bleibt, müssen wir abwarten.
Straße N13, ca.130 km südlich Midelt. Dass wir den Barrage Al-Hassan Addakhil so schnell wiedersehen, hätten wir uns gestern auch nicht träumen lassen. Vom Stausee bis Rissani haben wir dann keine weiteren Fotos gemacht, denn die Strecke kannten wir ja bereits vom Vortag. Kurz vor Rissani geht es von der N13 auf die N12 nach Südwesten.
Landschaft an der Straße N12, ca. 10 km westlich Rissani. Gestern noch hatte uns Ali in der Auberge Les Pyramides in Merzouga geraten nicht die N12 in Richtung Draa-Tal zu fahren, weil diese relativ öde sei. Heute bleibt uns gar nichts anderes übrig. Aus seiner Sicht hat er sicherlich recht, wir sind allerdings diese zwar öde aber doch fremde Landschaft nicht gewöhnt und können ihr deshalb trotzdem einiges abgewinnen.
Straße N12, ca. 20 km westlich Rissani. Obwohl wir nun mehrere hundert Kilometer gefahren sind, bläst der Wind immer noch ohne Unterlass. Weil der feine Detritus zwischen den endlosen Schotter- und Geröllfeldern jedoch weitgehend ausgeblasen ist, führt der Wind kaum noch Staubfracht mit sich. Sobald wir uns allerdings einem der breiten und trockenen Flusstäler nähern, ändert sich das Bild vollständig. Denn die Flüsse produzieren immer wieder neues Gesteinsmehl, das die Winde jetzt aufnehmen.
Büsche, Bäume aber auch Gräser nehmen nun immer mehr zu und verleihen der Landschaft ein savannenähnliches Aussehen. Die Berge im Hintergrund traktiert der immer noch blasende Wind mit Feinsand.
Hamo, ein junger Hotelangestellter führt uns durch das gesamte Anwesen und meint er würde uns einen guten Preis machen, nur wie hoch der ist erfährt man meistens erst, wenn man durch den ersten Berbertee und wortreiche Gehirnwäsche schon ganz weich in der Birne ist.