Donnerstag, 18.02.2016, **** Golden Tulip Rawabi, Marrakesch, 5 km Strecke

Gegen 10:30 Uhr verlassen wir unsere heimatlichen Gefilde und erreichten nach gemütlicher Fahrt gegen 12:15 Uhr unseren privaten Parkplatz in Lautzenhausen unweit des Flughafens Hahn im Hunsrück. Der kostet uns 3 € pro Nacht, insgesamt also 51 € für 17 Tage. Vom Parkplatz aus bringt uns Herr Müller in 5 Minuten zum Airport, das läuft alles völlig problemlos. Bis 12:45 Uhr sind wir dann durch alle Kontrollen, die übrigens sehr genau waren und verbringen nun die Zeit bis zum Boarding um 14:30 Uhr mit Warten.

 

Mit dem Wetter scheinen wir eher weniger Glück zu haben. Während es in Marrakesch in den letzten zwei Wochen überwiegend sonniges Wetter mit Temperaturen um 18 bis 22 Grad C gab, soll es heute Abend und morgen relativ heftig regnen. Immerhin werden 15 bis 40 l prognostiziert, das klingt gar nicht gut. Darüber hinaus wollen wir am Freitag über den 2.260 Meter hohen Tizi-n-Tichka-Pass und dort wird der Niederschlag wohl als Schnee fallen. Unser Fahrzeug dürfte aber kaum mit Winterreifen ausgestattet sein, also könnte das spannender werden, als es uns lieb ist.

 

Der Flug verläuft dann ohne Probleme, die Landung ist allerdings etwas ruppig. Bei der Koffer- und Passkontrolle warten wir erheblich kürzer als beim letzten Mal und dann funktioniert bei der Hertz Autovermietung auch noch unsere Kreditkarte und da denken wir schon: Jetzt ist alles in Butter. Als wir dann allerdings den Kofferraum unseres Fahrzeugs öffnen, geht gerade mal eines unserer Gepäckstücke hinein, das war die Hälfte dessen, was man Michael bei der Buchung im Netz versprochen hatte. Klarer Minuspunkt für Hertz. Bei der Besichtigung des Fahrzeugs die nächste Überraschung. Das Fahrzeug hat allseitig eine ganze Reihe von Beulen und Lackschäden, der Spoiler vorn hat einen Riss, also macht Michael, was er sich ohnehin vorgenommen hatte. Er fotografiert, so gut es in der Dämmerung eben noch geht, alle Mängel, lässt diese, wenn auch minimalistisch im Übernahmeprotokoll festhalten und hofft, dass das am Ende alles gut geht. Zur Ehrenrettung von Hertz muss man allerdings hinzufügen, dass die Fahrzeuge in Marokko nach einer gewissen Nutzungsdauer alle so ähnlich aussehen wie unseres. Insofern war unser Fahrzeug absolut repräsentativ und es handelte sich auch nicht um Schäden, die irgendwelche Relevanz für das Fahrverhalten gehabt hätten.

 

Wegen der Stauraumproblematik geht Michael noch einmal in das Terminal zurück, um die Sache zu monieren. Dort haben sich inzwischen 6 weitere Kunden eingefunden, also muss Michael erst einmal 45 Minuten warten, während Angelika auf gepackten Koffern im Auto sitzt und überhaupt nicht versteht, wieso die Aktion so lange dauert. Leider zeigt sich die Autovermietung auch nicht einsichtig, sondern beharrt darauf, dass wir ein Auto der richtigen Kategorie bekommen hätten und ein größerer Kofferraum nur für einen Aufpreis von 192 € zu haben sei. Das ist Michael deutlich zu teuer. Und so geht er nach einigem Diskutieren zum Auto zurück, um die Sache noch einmal mit Angelika durchzusprechen.

 

Angesichts der angepeilten Reiseroute ist klar, dass wir fast täglich ein neues Hotel benötigen werden. Immer wenn wir entlang unserer Fahrtroute einen Souk oder eine Sehenswürdigkeit besuchen wollen, ergibt sich nun das Problem, dass wir einen Teil der Koffer auf den Rücksitzen relativ gut einsehbar werden deponieren müssen. Das könnte natürlich Diebe anlocken und in diesem Fall hätten wir nicht nur mit Verlusten unserer Utensilien zu rechnen, sondern auch noch für den Schaden am Fahrzeug aufzukommen. Bei diesem Gedanken ist uns alles andere als wohl. Während wir also überlegen, wie das Problem zu lösen ist, geht die Sonne endgültig unter. Das baut weiteren Druck auf und so entschließen wir uns das angebotene Fahrzeug zu nehmen und uns endlich auf den Weg zu machen.

 

Unser nächstes Problem ist die Anfahrt zum Hotel. Wegen der unverschämten Aufschläge hatten wir uns entschlossen auf ein Navi zu verzichten. Eine Entscheidung übrigens, die sich für den ländlichen Raum als absolut richtig erweisen sollte, weil es dort fast immer nur eine Hauptstraße gibt. In Marrakesch ist das nun allerdings wenig hilfreich. Nach einigen Fahrtrichtungswechseln sind wir völlig desorientiert und nachdem inzwischen auch die Sonne als Orientierung ausgefallen ist, haben wir einige Mühe, das Hotel zu finden. Als wir in den Hotelbezirk einfahren, fährt uns der nächste Schreck in die Glieder. Das Hotel ist vollkommen unbeleuchtet. Das würde noch fehlen, dass das Hotel pleite ist. Der Parkplatz ist mit einer Schranke abgesperrt, weit und breit niemand zu sehen, also steigt Michael erst einmal aus, um zu prüfen, ob sich die Schranke öffnen lässt. Da taucht plötzlich aus der Dunkelheit ein Hotelmitarbeiter auf, notiert sich unser Nummernschild und lässt uns ein. Jetzt sind wir beruhigt. Eine Erklärung für das unbeleuchtete Hotel erhalten wir am folgenden Morgen. Der recht große Hotelkomplex hat derzeit fast keine Gäste und da möchte man Strom sparen, was sicherlich auch sinnvoll ist. Aber wenn man sich abends einem solchen „Geisterhotel“ nähert, bekommt man doch ein beklemmendes Gefühl.

 

Im Hotel haben wir zum guten Schluss noch das Problem, dass sich das Fenster nicht schließen ließ. Zum Glück hat Angelika das gleich bemerkt, sodass wir die Sache sofort am Empfang melden können, der das Problem relativ schnell behebt. Also nachdem so viele Zimmer leer stehen, hätte man ja im Vorfeld einmal abklären können, ob in dem Zimmer alles ok ist. Für ein 4-Sterne-Haus ist das doch etwas nachlässig.

 

Das Hotel hatten wir übrigens aus zwei Gründen ausgesucht. Aufgrund der südwestlichen Lage können wir am folgenden Morgen ohne viel Umschweife in Richtung unseres nächsten Reiseziels aufbrechen. Zum zweiten wurde das gute Frühstück im Netz mehrfach gelobt. Nach unserer Auffassung war das Frühstück für ein 4-Sterne-Haus absolut durchschnittlich und überhaupt nichts Besonderes. Möglich, dass das bei voller Belegung anders aussieht.

 

Gegen 21:30 Uhr fahren wir noch mal in einen Carrefour-Supermarkt in einem etwa 500 m südlich gelegenen Einkaufszentrum, um uns für den folgenden Tag mit Wasser und einigen Hygieneartikeln einzudecken. Zum Naschen nehmen wir außerdem auch etwas Schokolade mit. Das ist allerdings ein kompletter Reinfall, die Schokolade ist richtig alt und landet direkt im Abfalleimer. Danach sind wir ziemlich geschafft und fallen ins Bett.

Freitag, 19.02.2016, *** Hotel Auberge Telouet, 150 km Strecke

Heute geht unser Urlaub eigentlich erst so richtig los, wir sind dementsprechend aufgeregt und schon um 06:00 Uhr auf den Beinen. Von den Muezzinen der roten Stadt haben wir überhaupt nichts gehört, offenbar ist das Hotel zu weit von der Medina entfernt. Dafür macht sich der Flughafen deutlich bemerkbar. Von der Wetterlage sind wir angenehm überrascht. Zwar hat es in der Nacht geregnet, aber der Niederschlag war minimal, von den vorhergesagten 15 - 40 l/m² keine Spur. Gegen 10:00 Uhr sind wir startbereit. Der Himmel klart auf und im hellen Sonnenlicht haben wir keine Probleme uns durch die südlichen Vororte von Marrakesch zur N9 durchzuschlagen, der wir in östliche Richtung bis Taferiate folgen, um danach auf den Hohen Atlas zuzusteuern.

 

Die ersten 50 km verläuft die gut ausgebaute Straße weitgehend flach. Schon kurz hinter Marrakesch nimmt der Verkehr deutlich ab und wir bewegen uns mit 50 bis 80 km/h ganz gemütlich in Richtung Berge. Die karge Landschaft ist nicht besonders eindrucksvoll, zu beiden Seiten der Straße ist reichlich Müll über die angrenzenden Brachflächen verteilt. Erst hinter Taferiate beginnt die Straße etwas an Höhe zu gewinnen, auch schalten sich erste Kurven ein und die 3.000 bis 4.000 m hohen Gipfel bauen sich nun immer eindrucksvoller vor uns auf. In den Dörfern und selbst weit außerhalb sind wieder mehr Leute mit Mopeds, Eseln oder zu Fuß unterwegs, es ist auch etwas mehr Gegenverkehr.

 

Im Vorgebirge wird die Landschaft dann deutlich reizvoller, Michael packt die Kameras aus und macht jetzt spätestens in Abständen von 20 Kilometern immer wieder Fotoaufnahmen, um später den landschaftlichen Wandel besser nachvollziehen zu können. Am Straßenrand wird gelegentlich auf Geschwindigkeitskontrollen hingewiesen, aber wir haben bisher keine Kontrollen feststellen können.

Mit der Einfahrt in die Berge wird es dann merklich kühler, der Wind frischt auf, erste Wolken sammeln sich am noch blauen Himmel, doch es bleibt trocken und mit unseren dicken Jacken sind Temperaturen unter 10 Grad Celsius ganz gut zu ertragen. Zwischen etwa 1.000 und 1.500 m Höhe schalten sich nun zunehmend rote, gelbe und graue Sedimentgesteine ein, die einem vielgestaltigen Vorgebirge ein faszinierendes Aussehen verleihen. Die Anzahl der Fotostopps nimmt deshalb deutlich zu, was Angelikas Mine ein leicht säuerliches Aussehen verleiht. Michael konnte sich diesbezüglich noch nie zurückhalten, da muss sie durch.

 

Im unteren Teil des Geländeanstiegs dominieren Olivenbäume und Lorbeergewächse, die mit zunehmender Höhe von lichten Nadelhölzern abgelöst werden. Entlang der Straßenränder sind immer wieder kleine Kakteenwäldchen ausgebildet, zwischen denen sich allerdings reichlich Mülltüten verheddert haben, so dass diese kein besonders ansehnliches Bild abgeben. Mit dem Erreichen der Schneegrenze ist der landschaftliche Reiz dahin. Denn die Schneemassen reichen nicht aus, um den Bergen ein wirklich brillantes Aussehen zu verleihen, überdecken aber alles, was den bisherigen Reiz ausmachte. Aufgrund der spärlichen Vegetation wird aus den schneefreien Arealen auch viel Feinkorn ausgeblasen, das dann auf den Restschneedecken Platz nimmt und das edle Weiß mit schmutzig braungrauen Schleiern überzieht.

 

Auch der Zustand der Straße verschlechtert sich ständig. Wie wir später noch erfahren werden, soll der König vor wenigen Jahren einmal die Passstraße befahren und für schlecht befunden haben. Deshalb wird nun daran gearbeitet deren Zustand auf ein Niveau zu bringen, das den Ansprüchen des Königs genügt. Für uns bedeutet das, sich mit einer Baustraße zu arrangieren, die eigentlich nicht für Normal-PKW ausgelegt ist und die wir laut Vertrag mit dem Autovermieter eigentlich gar nicht benutzen dürfen. Nach kürzester Zeit ist unser Fahrzeug total versaut und wir fassen die Türen bei den Ausstiegen nur noch mit ganz spitzen Fingern an.

 

Weil von beiden Seiten relativ viele LKW über den Pass kommen, gibt es immer wieder längere Kolonnen mit PKW, die sich hinter den LKW ansammeln. Da macht es Sinn die Kolonne ziehen zu lassen und einen kurzen Fototermin einzulegen. Mit Halteplätzen wird es zwar zunehmend schwieriger, doch Michael findet immer wieder ein Plätzchen zum Ausstieg. Die Temperaturen gehen nun richtig nach unten. Tatsächlich dürften wir noch leicht über dem Gefrierpunkt liegen, gefühlt aber deutlich darunter. Denn es weht ein immer heftiger werdender Wind, der Michael beim Ausstieg zunächst einmal in den Wagen zurückdrückt und nachdem er es mit Gewalt hinausgeschafft hat, fast umbläst. Wir können von Glück sagen, dass das Fahrzeug mit der Frontseite in Windrichtung steht, sonst hätte uns der Wind die Tür aus der Hand gerissen. Das Stürmchen treibt einem die Tränen in die Augen, so dass im Sucher der Kamera nichts mehr zu sehen ist und die Fotos mehr oder weniger blind gemacht werden müssen. Auch der Einstieg in das Fahrzeug muss wieder heftig erkämpft werden, also stellen wir weitere Fototermine erst mal zurück.

 

Nach 110 km Strecke und gut 4 Stunden Fahrt erreichen wir endlich den in 2260 m Höhe gelegenen Tizi-n-Tichka-Pass. Zum Glück flaut der Wind jetzt wieder etwas ab, so dass wir uns auf der Passhöhe etwas umsehen können. Am Pass haben einige Händler ihre Verkaufsstände aufgebaut. Doch bei diesen Witterungsbedingungen laufen die Geschäfte schlecht. Wir hatten gehofft hier oben eine schöne Freifläche mit einer guten Fernsicht in alle Richtungen anzutreffen. Doch wir können keine derartige Aussichtsplattform erkennen, also verweilen wir nicht lange im Freien sondern setzen unseren Weg fort.

 

Kurz hinter Tizi-n-Tichka geht dann die Straße nach Telouet ab. Das Asphaltband wird nun sehr schmal und reicht gerade einmal für einen LKW mittlerer Größe aus. Zum Glück gibt es wenig Verkehr und die entgegenkommenden Autos sind in der Regel auch früh zu sehen, so dass wir rechtzeitig rechts ranfahren und den Gegenverkehr vorbeilassen können. Zwischen Tizi-n-Tichka und Telouet verliert die Straße wieder 400 Höhenmeter, so dass wir in Telouet auf einer Höhe von gut 1.800 m ankommen. Damit sind wir immer noch über der Schneegrenze und gemütliche Temperaturen sehen anders aus. Aber wenigstens ist es jetzt relativ windstill.

 

In Telouet dem Stammsitz des Berberclans der Glaoua angekommen, kehren wir dann in der gleichnamigen Auberge ein, wo wir von Ali und Jamal empfangen werden. Die Herberge gibt es erst seit einigen Jahren, sie liegt direkt an der Hauptstraße und ist insofern nicht zu verfehlen. Das aus einem mächtigen Natursteinmauerwerk aufgebaute Gebäude ist schön in die Landschaft eingepasst und man erkennt von innen und außen, dass hier mit großer Liebe zum Detail zu Werke gegangen wurde. Im Sommer mögen diese dicken Mauern sicher gute Dienste gegen die übergroße Hitze leisten. Im Winter sorgen die schmalbrüstigen Fenster jedoch für niedrige Temperaturen auch in den Innenräumen und so sitzen wir zunächst einmal mit den dicken Jacken im Gemeinschaftsraum. Eilig schaffen die Angestellten Brennholz herbei und heizen den Ofen an, um zumindest eine Ecke des großen Raumes angenehm zu temperieren. Um uns auch von innen aufzuwärmen reicht man Berber-Whisky, den in Marokko allgegenwärtigen Minztee.

 

Der Raum ist mit einer Vielzahl von Teppichen ausgelegt, die allerdings nicht sehr sauber sind, weil hier schon wegen des kalten Fußbodens mit Straßenschuhen herumgelaufen wird. Und da die Wege im ganzen Ort wenigstens in der Winterzeit recht schlammig oder staubig daherkommen, wird natürlich viel von dem Schmutz draußen auch in den Raum getragen. Über den Deckenbalken sind rautenförmig große, grob behauene Flachhölzer und über diesen wiederum Schilfmatten eingebracht. Auf diesem Gesamtkunstwerk ruht dann die Decke des Obergeschosses. Die Bauweise fanden wir später in sämtlichen Berberregionen verbreitet. Obwohl hier sehr naturnahe Materialien verwendet werden, sind die Decken schön anzuschauen und bieten dem Auge reichlich Abwechslung. Vor der Gebäudeaußenwand verläuft reihum die für Marokko so typische, langgezogene niedere Sitzfläche. Davor sind einzelne Tische drapiert. In der Raummitte fangen mächtige Steinsäulen die Gebäudelasten ab. Auf unserem Weg durch die Berge haben wir Hunger bekommen und bestellen erst einmal eine Tajine mit Rindfleisch. Mit dem Begriff Tajine wird in der nordafrikanischen Küche übrigens sowohl das aus Lehm gebrannte Schmorgefäß als auch das darin gekochte Gericht bezeichnet. Die Tajine schmeckt uns richtig gut und so langsam wird uns auch warm.

 

In dieser Einöde gibt es kaum Möglichkeiten etwas zu verdienen. Selbst die Landwirtschaft gibt wegen der langen Winter und den kargen Böden nicht viel her. Und so versucht uns Ali dazu zu bewegen heute Abend auch hier zu übernachten. Das hatten wir zwar ohnehin vor, fürchten aber angesichts unserer dürftigen Erfahrungen mit dem Aushandeln von Preisen von den geschäftstüchtigen Marokkanern über den Tisch gezogen zu werden, wenn wir unsere Absichten all zu früh erkennen lassen. Also lassen wir Ali erst einmal im Unklaren über unsere Absichten. Das aber spornt unseren afrikanischen Freund jetzt richtig an. Als ersten Preis bietet er uns nun eine Übernachtung mit Frühstück und Abendessen für 2 Personen zu 700 MDH, also etwa 70 € an, gibt uns aber schon im übernächsten Satz zu verstehen, dass wir natürlich einen Sonderpreis bekommen, das ganze Paket für 500 MDH. Wir geben ihm zu verstehen, dass wir uns das bei einem Gang durch die Ruine durch den Kopf gehen lassen wollen. Das lässt unserem Gastgeber aber keine Ruhe, weil unten im Ort noch andere Übernachtungsmöglichkeiten bestehen und er annehmen muss, dass wir auch dort anfragen. Nach einigem Hin und Her bietet er uns die Übernachtung für 300 MDH inkl. Frühstück an. Das kommt unseren Vorstellungen jetzt schon sehr nahe. Michael lässt ihn trotzdem noch etwas zappeln und sagt, man könne sich das Zimmer ja einmal ansehen und so trotten wir nach oben, wo wir über eine Dachterrasse das oberste Geschoss erreichen. Zunächst gelangen wir in einen kleinen Vorraum in dem ein Tisch aufgestellt ist. Ganz praktisch wenn man etwas schreiben möchte. Von diesem Raum aus geht es dann in zwei separate Zimmer, die jeweils mit Dusche und WC ausgestattet sind.

 

Weil die Temperaturen niedrig sind und sich die Zahl der Besucher in Grenzen hält, ist das für uns bestimmte Zimmer komplett ausgekühlt. Eilfertig weißt unser Gastgeber darauf hin, dass er den Raum natürlich heizen werde und da wir erst 16:00 Uhr haben, müssten die Temperaturen bis heute Abend wohl halbwegs erträglich sein. Michael hält die 300 MDH für angemessen. Das Quartier hat zwar an der einen oder anderen Stelle eher den Charme einer Jugendherberge, ist aber ausreichend sauber und gemütlich ist es allemal. Also schlagen wir ein und beziehen unsere Unterkunft. Ali möchte uns nun noch einen Führer für die nahegelegene Kasbah, die eigentliche „Attraktion“ dieses Städtchens andienen. Doch die liegt in Sichtweite, erscheint weitgehend verfallen und wollte uns ein solcher Führer Wissen über die geschichtlichen oder regionalen Hintergründe vermitteln, dann müsste er schon gute Fremdsprachen- und natürlich auch die nötigen Fachkenntnisse haben. Das halten wir dann doch eher für unwahrscheinlich, lehnen dankend ab und machen uns alleine auf den Weg. Eins müssen wir anerkennen: Unser Ali versteht es wirklich die komplette Wertschöpfungskette abzubilden. Da sage noch einer, die Marokkaner verstünden nichts von modernem Management.

 

Der Weg zur Kasbah des Glaoua-Clans ist wegen der Niederschläge der vergangenen Tage ziemlich aufgeweicht und wir versauen uns ganz schön die Schuhe. Natürlich begegnen uns auf der kurzen Strecke nochmal zwei selbsternannte Führer, die aber nach einem deutlichen „Non, merci!“ von uns ablassen. Wir sehen erst einmal keinen Eingang, weil der auf der gegenüberliegenden Seite des Komplexes liegt und irren ein wenig planlos in den Ruinen im Umfeld der Kasbah umher. An den Mauerresten im Umfeld der Kasbah kann man infolge des teilweisen Zerfalls den Aufbau der Gebäude ganz gut erkennen. Viele Mäuerchen sind aus Bruchsteine oder Geröllen aufgebaut. Als Mörtel und Isolationsmaterial diente mit kleinen Steinen und Pflanzenresten vermischter Stampflehm. Um keine weiteren Führer anzulocken gibt sich Michael sehr geschäftig und lichtet die Kasbah aus unterschiedlichen Blickwinkeln ab.

 

Leider gibt es auch hier wieder ein größeres Müllproblem. Neben den Verdauungsrückständen von Schafen, Ziegen und Eseln, findet man fast im gesamten Umfeld der Ruine die Hinterlassenschaften der modernen Zivilisation. Dazwischen suchen Hühner nach Verwertbarem. Die Situation ist im Sommer vermutlich noch unappetitlicher, weil Restschneedecken derzeit noch so manches Erdloch überdecken und das Areal in einem besseren Licht erscheinen lassen.

 

Nachdem wir die Kasbah halbkreisförmig umrundet haben, finden wir schließlich den Zugang. Um in die innere Kasbah zu gelangen muss man pro Person 20 MDH berappen. Das erscheint uns erst einmal etwas übertrieben, weil wir lediglich in einen größeren Innenhof gelangen, von dem aus keine weiteren Erkundungsmöglichkeiten mehr zu bestehen scheinen. Doch die Kasbah gibt ihre Geheimnisse nicht einfach so preis sondern möchte erobert werden. Und so zweigen vom Hof mehrere Gänge ab, die sich erst einmal als Sackgasse erweisen, bis wir schließlich einen Aufgang finden über den wir auf eine Dachterrasse gelangen, die uns einen schönen Überblick über den Gebäudekomplex und die Umgebung verschafft. Weiter geht es über langgezogene, weiß getünchte Räumlichkeiten mit hochgezogenen Decken, die nun, würde man sie möblieren fast schon etwas Wohnliches hätten. Am Ende dieses Weges sind wir allerdings sehr überrascht, als wir in das Zentrum der Kasbah vorstoßen.

Hier sind die Böden, Wände und Decken in einer Weise mit Kacheln, Stuck und Malereien geschmückt, die man auf der ärmlichen Zuwegung niemals vermutet hätte. Man kann nur hoffen, dass sich in absehbarer Zeit eine Stiftung dieser Kasbah und ihrem Umfeld annimmt und rettet, was zu retten ist. Denn wenn das Bauwerk vollends verfällt, wird es kaum mehr Gründe geben, hier in Telouet sein Nachtlager aufzuschlagen.

 

Als wir bei einbrechender Dunkelheit zu unserer Unterkunft zurückkehren und unser Zimmer beziehen, ist es trotz Heizlüfter nicht besonders warm geworden. Selbst mit Jogginganzug frieren wir noch. Doch das gibt sich bald, denn Ali hat uns 4 große Decken bereitlegen lassen, die wir auch alle über unser Betttuch packen und nach kurzem Bibbern wird es mollig warm und es ist gut auszuhalten.

 

Samstag, 20.02.2016, ***Hotel Chez Talout bei Skourra, 115 km Strecke

Gegen 5 Uhr weckt uns der Muezzin. Im Raum ist es jetzt richtig kalt. Die Heizung hat den Kampf gegen nächtliche Minusgrade und die miserable Gebäudeisolierung verloren. Der unsere Münder verlassende Wasserdampf kondensiert beim Aufstieg in Richtung Decke. Nur unter unseren vier Bettdecken bleibt es mollig warm, die Einheimischen können ganz gut abschätzen, was es braucht, um die Nacht gut zu überstehen. Auch wenn wir nun wach sind, denkt bei diesen Temperaturen niemand ans Aufstehen. Im Dunkeln macht es eh keinen Sinn und so quasseln wir noch bis 7:00 Uhr, ehe wir unser schönes warmes Nest verlassen. Für überzeugte Warmduscher geht Duschen unter den Bedingungen gar nicht, heute ist Katzenwäsche angesagt. Nach kurzem Bibbern geht es rasch in die Tagesklamotten. Angelika knurrt der Magen, die hätte gestern glatt noch mal eine von diesen wohlschmeckenden Tajinen verdrücken können.

 

Da wir erst für 08:00 Uhr zum Frühstück angemeldet sind, packen wir unsere Sachen schon mal ein und begeben uns dann nach unten in den großen Gemeinschaftsraum. Draußen kräht schon den ganzen Morgen der Hahn. Die Sonne scheint von einem wolkenlosen Himmel, die Kinder machen sich gerade auf den Schulweg. Wahnsinn, was selbst die kleinen für einen langen Schulweg haben, und das alles ohne Begleitung der Eltern. Als wir jung waren hatten wir den auch, aber das ist fünfzig Jahre her, heute drängelt sich vor den Schuleingängen Auto an Auto und den Vogel schießen dabei ausgerechnet die Waldorfschüler ab.

 

Als wir in den großen Gemeinschaftsraum eintreten, liegen zwei Angestellte der Unterkunft auf der lang gezogenen Rundcouch und pennen. Ob das Zufall ist, wissen wir nicht, wenn die das allerdings regelmäßig so machen oder machen müssen, sind das ja auch arme Kerle, denn von Privatsphäre kann da ja keine Rede sein.

 

Die beiden stehen jedenfalls rasch auf und sind sehr schnell dabei, es uns allen behaglich zu machen. Ruckzuck ist Feuerholz am Kamin und nach wenigen Minuten lodern wärmende Flammen. Dann kümmern sich die Jungs auch schon um unser Frühstück.

 

Wie wir schon jetzt und verstärkt noch in den folgenden Tagen erleben werden, setzt man das „petit déjeuner“, also das kleine Frühstück hier konsequent um. Neben Kaffee oder meist sehr süßem Minztee gibt es Fladenbrot, dazu Butter und zwei Marmeladen, oft auch noch ein Glas frisch gepressten Orangensaft, eher selten mal ein Omelett oder alternativ ein in 20 Minuten totgekochtes Ei, aber das war es dann auch. Das ist für Michael als Käse- und Wurstesser etwas gewöhnungsbedürftig, führt aber mit dem fehlenden Alkohol und den weniger fetten Mittags- und Abendessen am Ende des Urlaubs dazu, dass Michael 5 Pfund weniger mit nachhause bringt. Wenn man das hochrechnen könnte, sollte man hier vielleicht doch einmal einen längeren Aufenthalt einplanen.

 

Gegen 09:00 Uhr verabschieden wir uns dann und begeben uns wieder auf die Piste. Während Michael diesen Begriff meist etwas undifferenziert für Straße einsetzt, ist er hier ganz wörtlich zu nehmen, denn die Straße wird schon kurz hinter der Ortsausfahrt ziemlich übel. Wir können von Glück sagen, dass unser Kleinwagen einen kurzen Radstand hat, denn die Asphaltdecke, die wir die nächsten 10 km überwinden müssen, ist in einem derart schlechten Zustand, dass der angrenzende Schotterstreifen angenehmer als die eigentliche Straße zu befahren ist. Den einen oder anderen Fotostopp mit eingerechnet liegt unsere Durchschnittsgeschwindigkeit unter 20 km/h und wir sind froh als wir endlich wieder eine halbwegs vernünftige Asphaltdecke unter die Räder bekommen.

 

Dafür ist die Landschaft heute aber um einiges aufregender als gestern zwischen dem Tizi-n-Tichka-Pass und Telouet. Zwar bedeckt der Schnee immer noch weite Teile der Umgebung mit einem dünnen Überzug, aber entlang unseres Weges durch das Flusstal hat die Sonne bereits ganze Arbeit geleistet und so glänzen die durch Bruch- und Faltentektonik geprägten und dem freien Spiel der Erosionskräfte ausgelieferten Sedimentgesteine mit einem sehr abwechslungsreichen bunten Farbenspiel. Am Ende benötigen wir für die ca. 60 km bis Aït-Ben-Haddou mehr als 4 Stunden Fahrtzeit. Es zieht sich wie Kaugummi, aber die landschaftlich so reizvolle Umgebung entschädigt für das mühsame Vorankommen.

 

Der aus einem alten und einem neuen Teil bestehende Ort Aït-Ben-Haddou liegt ca. 30 km nordwestlich der Stadt Ouarzazate an einem Hügel in etwa 1300 m Höhe. Der historische Teil von Aït-Ben-Haddou liegt nordöstlich des Ounila-Tals und ist seit dem Jahr 1987 von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt. Der Ort diente verschiedenen Monumentalfilmen als Kulisse, was ihn vor dem Schicksal anderer Kasbahs, dem weitgehenden Verfall nämlich, bewahrt hat. Nähert man sich der Neustadt, wird man von geschäftstüchtigen Schleppern aufgefordert, einen der kostenpflichtigen Parkplätze anzusteuern. Die Parkgebühr allein wäre überhaupt kein Problem, betragen die Parkgebühren doch in der Regel nur einen Bruchteil dessen, was einem die Raubritter in Europa abnehmen und man steht wenigstens halbwegs sicher. Die Probleme bereiten die nachgelagerten Händler und selbsternannten Führer, die unablässig nervend ihre nicht gewünschten Dienste anbieten und so häufig genug genau das Gegenteil von dem erreichen, was sie eigentlich wollen.

 

Wir setzen zunächst einmal unsere Fahrt fort, bis wir am Ortsausgang auf ein kleines Plateau treffen, von dem aus man eine wunderbare Fernsicht auf die frühere Trutzburg hat und lassen das Bauwerk auf uns wirken. Die aus einem mittelbraunen Stampflehm gefertigten Fassaden ergeben zusammen mit dem Grün des Flusstals und den weißgrauen bis hellbraunen Sedimenten des über der Kasbah thronenden kleinen Plateaus ein farblich schön abgestimmtes Gesamtbild. Schließlich fahren wir zurück in den Ort und stellen unser Auto auf einem der Parkplätze ab.

Wie immer führt der Weg ins gelobte Land durch ein Spalier von Verkaufsständen und auch die unvermeidlichen Führer lassen nicht lange auf sich warten. Doch es bedarf heute keiner heftigen Abwehrreaktionen, um die Plagegeister loszuwerden. Einige „Nein, danke!“ reichen aus, um den Weg in Richtung Fluss in Ruhe fortsetzen zu können. Am Fluss wird es dann noch einmal lustig. Weil dieser ohnehin einen Teil des Jahres ausgetrocknet ist und behelfsmäßige Brücken bei Starkniederschlägen weggerissen würden, quert man den Fluss auf Sandsäcken oder großen Geröllen, die in Schrittweite auf dem Flusssediment ausgelegt sind. Als Angelika den ersten Sack erreicht, kommt eilfertig ein kleiner Kerl an und meint die Flussquerung sei „very dangerous“ und er müsse Ihr unbedingt helfen. Also die Biester sind ja wirklich einfallsreich, eigentlich hätte der schon dafür eine Belohnung verdient. Aber wenn hier einer sieht, dass man dafür Geld ausgibt, hat man keine Minute Ruhe mehr, weil dann die ganze Meute ankommt und eine Fülle unnötiger Dienstleistungen anbietet, um ebenfalls vom Geldsegen zu profitieren. Und so nimmt Angelika trotz der gelungenen Charmeoffensive Abstand von ihrem vermeintlichen Lebensretter und setzt ihre „gefährliche Reise“ alleine fort.

 

Am Fuß der Kasbah angekommen zahlen wir 10 MDH Eintritt pro Person und setzen unseren Weg fort. In der Kasbah selbst wimmelt es wieder von engen Gässchen und natürlich auch von Verkaufsständen, so dass wir zusammen mit anderen Touristen erst einmal etwas planlos umherirren. Aber wenn man sich etwas eingesehen hat erkennt man, wohin sich die Mehrzahl der Besucher bewegt und dann muss man sich nur noch treiben lassen und man wird automatisch den Hang hinaufgespült. Bei den gemäßigten Temperaturen jetzt im Winter überfordern die serpentinenartig angeordneten Wege eigentlich niemanden. Da wir aber aus der Kälte kommen, sind wir nun zu warm angezogen und kommen deshalb ganz schön ins Schwitzen. Ist man oben auf dem kleinen Plateau über der Kasbah angekommen hat man einen wunderschönen Blick über das Tal und auf die Neustadt.

 

Nach der morgendlichen Schleichfahrt und dem Besuch der Kasbah ist der Tag schon weit fortgeschritten. Deshalb geht es nun ohne Umwege zurück zum Fahrzeug. Bei einer kurzen Erfrischung sondieren wir Karte und Reiseführer und beschließen, wenn möglich noch bis Skoura durchzufahren. Angelika hat dort eine vielversprechende Unterkunft ausfindig gemacht, die wir uns einmal ansehen wollen.

 

Etwa 5 km vor Skoura beschreibt das Asphaltband eine scharfe Rechtskurve. Hier weist uns eine Werbetafel an, der geradeausführenden schmalen Nebenstraße zu folgen in deren Verlängerung schemenhaft einige Gebäude zu erkennen sind, die wir nach etwa 150 Metern erreichen. Zwar sind die Gebäude bewohnt, doch von einer Kasbah Chez Talout ist weit und breit nichts zu sehen. Etwas ratlos fahren wir noch einmal zurück an die Hauptstraße, doch das Hinweisschild ist eindeutig. Also folgen wir ein zweites Mal dem schmalen Sträßchen und geraten schließlich auf eine Schotterpiste in Richtung Niemandsland. Die Piste mit Waschbrettfeeling zwingt uns zur Schrittgeschwindigkeit und so geraten einige hundert Meter Fahrtstrecke zu einer halben Ewigkeit. Böte die Piste eine Möglichkeit zum Wenden, wir würden auf der Stelle umdrehen. Doch die groben Gerölle am Pistenrand zwingen uns auf dem Weg zu bleiben und unsere Fahrt fortzusetzen. Dann führt die Piste in Richtung einer Anhöhe, auf der sich ein größeres Gebäude befindet und tatsächlich haben wir unser Ziel nun erreicht.

 

Weil zumindest auf dem Lande der öffentliche Raum sich weitgehend selbst überlassen bleibt und das wüstenhafte, oft genug auch noch vermüllte Umfeld (nicht hier) und die oft wenig ansehnlichen äußeren Fassaden der Gebäude ein eher tristes Bild abgeben, nähern wir uns mit gemischten Gefühlen dem Eingang. Das Tor ist verschlossen und es dauert eine Weile bis jemand auf uns aufmerksam wird. Aber dann heißt uns ein junger Mann namens Soufiane herzlich willkommen.

 

Es ist vielleicht nicht die feine englische Art, aber die Waschbrettpiste hat bei uns einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen und so beklagen wir uns erst einmal über die schlechte Zuwegung. Soufiane lächelt und meint, die Piste sei tatsächlich nicht die beste, sie sei allerdings auch nicht für PKW gedacht, worauf man auf der HP der Kasbah auch hingewiesen habe. Wenn wir schon einmal da sind, können wir uns die Anlage ja trotzdem mal ansehen, mein Soufiane. Wenn der wüsste! Heilfroh, endlich ein mutmaßlich adäquates Refugium gefunden zu haben, könnten uns nur noch völlig überzogene Preise davonjagen. Also folgen wir ihm erwartungsfroh.

 

Kaum haben wir die schmucklosen Außenmauern der Kasbah hinter uns gelassen, werden wir von einem Steingarten mit herrlichen Kakteen begrüßt, der durch seine Farbgebung ein wenig an den Jardin Majorelle in Marrakesch erinnert. Dann geht es durch den Empfangsbereich des Hauses in Richtung Innenhof. Wieder einmal sind wir überrascht, welche Oase sich in diesem schmucklosen Umfeld vor unseren Augen auftut.

 

Es hat sich wirklich gelohnt nicht gleich aufzugeben, denn inmitten der Einöde haben die Besitzer hier eine kleine aber feine Bleibe erschaffen, die man unbedingt weiterempfehlen kann. Soufiane führt uns zunächst durch den liebevoll begrünten Innenhof dessen Zentrum ein Pool schmückt. Etwas abseits des Pools befindet sich eine Cocktailbar, die im Winter mangels Gästen allerdings geschlossen ist. Um den Pool sind eine ganze Reihe unterschiedlicher Sitzgelegenheiten und Liegen gruppiert. Im Winter sieht das alles nur schön aus, im Sommer aber, wenn die Tagesausflügler aus der brütenden Hitze zurückkehren, dann ist es unglaublich erholsam hier ein paar Bahnen ziehen zu können, einen Drink zu schlürfen und sich anschließend auf einer der Liegen die abendliche Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen.

 

Unser Zimmer liegt am Rande des hinteren Innenhofs im Hochparterre. Der Sanitärbereich ist wie üblich ein wenig klein geraten. Auch das Zimmer ist nicht gerade riesig, aber es ist ordentlich sauber, landesüblich mit Teppichen, Decken und Kissen ausgestattet und wir fühlen uns auch hier gleich wohl. Michael ist ohnehin der Auffassung, dass man die Verhältnisse in diesen Breiten nicht ganz mit mitteleuropäischen vergleichen kann. Denn der feine Detritus, der allen semiariden Freiflächen auflagert wird schon von leichten Winden aufgenommen und beständig in die Siedlungsräume eingetragen. Um diesem Umstand restlos Herr zu werden, muss man entweder ständig putzen oder sich mit dem Unabänderlichen arrangieren.

 

Nachdem wir unser Gepäck platziert und uns etwas frisch gemacht haben, begeben wir uns auf die Dachterrasse zu Soufiane, der uns zum Berbertee eingeladen hat. Die Dachterrasse ist recht groß, teils umschlossen, teils offen und im offenen Bereich wiederum teilüberdacht, so dass man bei jeglicher Witterung immer einen wohltemperierten und vor allzu viel Sonne oder gelegentlichem Regen geschützten Platz findet, von dem aus man den Blick über das nahegelegene Dörfchen, die dahinter einsetzende Steinwüste und entlang des Flusses auf das schier endlose Band der Palmerie hat.

 

Da es schon ein wenig kühl wird, begeben wir uns in den gemütlich eingerichteten, umschlossenen Teil der Dachterrasse, genießen unseren Tee und plaudern mit Soufiane. Wir müssen nun natürlich erst einmal wissen, was wir eigentlich berappen sollen. Landestypisch wird uns wieder einmal ein Preis von 700 MDH in Aussicht gestellt, der aber schon im nächsten Halbsatz kassiert und durch einen selbstverständlich nur uns offerierten Spezialpreis von 500 MDH für 2 Personen inkl. üppigem Frühstück ersetzt wird. Natürlich versuchen wir einen weiteren Rabatt auszuhandeln. Aber Soufiane ist schon ein Schlitzohr und vermag wortgewaltig zu erläutern, warum er diesbezüglich keine weiteren Konzessionen machen könne. Uns ist heute nicht nach endlosem Verhandeln, wir geben uns geschlagen und willigen ein. Das ist unsere teuerste Unterkunft bisher, doch wir bereuen es am Ende nicht diese Perle gefunden zu haben. Die Herberge scheint bei Individualtouristen aufgrund ihrer Abgeschiedenheit und der schlechten Zuwegung gar nicht so bekannt zu sein, jedenfalls erläutert uns unser Gastgeber, dass sie häufig von geführten Touristengruppen gebucht werden, die in kleinen Gruppen mit Allradfahrzeugen unterwegs sind und das Land erkunden. Auch heute Abend erwarte er eine Gruppe Holländer. Deswegen müsse er uns nun auch verlassen, weil das Essen einige Vorbereitungszeit benötige.

 

Essen ist ein gutes Stichwort, denn auch wir haben inzwischen ganz schön Kohldampf und so hängen wir uns an die Gruppe dran und freuen uns schon auf den Abend. Für das Abendessen kommen nun nochmals 2 x 10 € hinzu, was solls, es wird auch wieder günstigere Tage geben.

 

Wir bleiben noch eine ganze Weile auf der Hochterrasse, beobachten einige Arbeiter beim Anfertigen von Stampflehm, machen Tagebucheinträge, reden mit nachträglich eintreffenden Gästen. Dann fahren wir unser Auto in einen ummauerten und abgeschlossenen Nebeninnenhof, so dass wir uns auch wegen des Gefährts keine Gedanken machen müssen und begeben uns gegen 19:30 Uhr zum Abendessen.

 

Zum Abendessen werden wir in den Speiseraum unter der Dachterrasse gebeten. Der Raum ist stark ausgekühlt, hat aber keine eigene Heizung. Deshalb hat man kurzerhand einen Gasheizpilz, der zumindest in unseren Breiten nur für offene Räume zugelassen ist, aufgestellt. Der erzeugt dann auch recht schnell eine mollige Wärme im Raum, aber auch ein leichtes Unbehagen. Doch schon kommt das Abendessen, eine große marokkanische Gemüseplatte mit Reis und Fleisch die lecker aussieht und ebenso schmeckt, aber die Portionen waren für die fortgeschrittene Stunde doch etwas zu groß, weshalb das Abendessen dann bis in die Nacht mit uns spricht und unser Schlaf etwas durchwachsen ist. Da man nie so genau weiß, wie die Portionen ausfallen, sehen wir in den folgenden Tagen zu, dass wir schon mittags ordentlich satt sind. Abends dann noch ein kleiner Happen, das reicht.

Sonntag, 21.02.2016, Hotel Kat. 1, Boumalne 165 km

Als wir aufwachen, sind wir eigentlich immer noch satt. Wir machen uns tagfein, packen unsere Koffer vor und gehen gegen 9:00 Uhr auf die Dachterrasse, wo schon das Frühstück auf uns wartet. Wir sind offensichtlich die letzten, die aus den Federn gefunden haben. Die holländische Reisegruppe und eine allein reisende französische Familie sind mit dem Frühstück schon fast durch. Aber das macht nichts, wir wollen heute ohnehin etwas kürzertreten, also gehen wir es gemütlich an. Das Frühstück ist wie das Abendessen reichlich. Soufiane serviert selbst gebackenes Brot, Aprikosenmarmelade, Honig, Eier, die wie üblich etwas zu hart gekocht sind, Kaffee, Orangensaft, Pfannkuchen, Butter und wir sind pappsatt als er den Tisch wieder abräumt.

 

Soufiane hat heute offensichtlich Zeit und so sitzen wir noch eine ganze Weile mit ihm zusammen und lernen einiges über die landesüblichen Gebräuche und die Anfertigung des Stampflehms. Wenn man den Arbeitern bei der Herstellung zusieht und selbst nur Beton, Kalksandsteine und gebrannte Ziegel kennt, dann ist die braune Pampe, die sie da anrühren, wenig vertrauenerweckend. Kratzt man aber mit den Fingern über eine der fertigen Wände, so stellt man fest, dass ein wenige Jahre alter, von der Sonne gegerbter Putz eine unvermutet hohe Festigkeit aufweist. Und weil es in diesen Breiten wenig regnet, kann ein solcher Putz trotz eingeschränkter Festigkeit bei guter Pflege 10 bis 15 Jahre alt werden.

 

Für die Herstellung benötigt man lediglich Lehm, Sand und Stroh sowie etwas Wasser. Nach einer intensiven Vermischung dieser Eingangsstoffe kann die Rohmasse entweder zwischen Schalungen eingestampft, das Mauerwerk bilden oder als Verputzmasse an Innen und Außenwänden aufgetragen werden. Das Material ist atmungsaktiv, erfordert keinen Einsatz von Primärenergie und ist an vielen Plätzen leicht verfügbar. Und wird wirklich einmal ein Gebäude aufgegeben, so zerfällt das Mauerwerk, anders als die vielen Plastiktüten, die überall das Land verschandeln, in seine natürlichen Bestandteile und wird irgendwann nahezu rückstandslos Teil der Landschaft. Insofern ist dieser Stampflehm ein sehr moderner Baustoff und man kann nur hoffen, dass zukünftige Häuslebauer nicht meinen, es den Städtern gleichtun zu müssen und von diesem Baustoff abrücken. Gerne lässt sich Michael nun noch ein paar Tipps für die Gestaltung der weiteren Reiseroute geben. Bis wir dann endlich aufbrechen, ist es schon 10:30 Uhr.

 

Mit der gebotenen Vorsicht geht es über die 3,50 km lange Waschbrettpiste zurück zur Hauptstraße, dann können wir endlich wieder Gas geben. Recht schnell erreichen wir Skoura, wo wir uns mangels Navi ein wenig verzetteln, aber so viele Straßen hat dieses Städtchen nicht und so finden wir schließlich den Weg in Richtung Toundoute und die nahegelegenen Ausläufer des Hohen Atlas.

 

Auf langen Geraden geht es über die dem Gebirge vorgelagerten riesigen Schuttfächer gleichförmig leicht bergan. Ein beständig wehender Wind hat den feinen Detritus ausgeblasen. Auf den verbliebenen, ausgedehnten Hochflächen dominieren mittelgroße Gerölle und vereinzelte Gesteinsblöcke, die von Wüstenlack, das sind vorwiegend eisen- und manganhaltige, teils fett glänzende, braunschwarze Oberflächen-ablagerungen überzogen sind. Die spärliche Vegetation erscheint abseits von Gewässern selbst in der Winterzeit, wo zumindest gelegentliche Niederschläge fallen, immer noch ausgedörrt. Schaf- und Ziegenhirten müssen deshalb weite Wege zurücklegen, um die stets hungrigen Mäuler sattzukriegen und das ist dann wohl auch der Grund, warum man auch weit abseits jeder Bebauung immer wieder auf Menschen trifft, die in ihren erdfarbenen Gewändern bestens getarnt wie aus dem Nichts auftauchen. 

Die im Stadtgebiet von Skoura eben noch recht breite Straße nimmt bald wieder Maße an, die eines von zwei aufeinander zufahrenden Fahrzeugen auf das Bankett zwingen. Das ist hier besonders unangenehm, weil die Straße vom Gebirge kommend, moderates Gefälle aufweist und in Verbindung mit der guten Fernsicht und den wenigen Kurven zu sehr flotter Fahrt einlädt. Anfänglich werden wir mehrmals überrascht, wie schnell die mindestens vollbesetzten, oft genug auch deutlich überladenen Karossen vor uns auftauchen. Doch zum Glück ist wenig Verkehr, und so nutzen wir die Ausweichmanöver als Fotopause, so dass sich die Zahl der Zwangsausritte in Grenzen hält. Durch die fehlende Vegetation sieht man schon von weitem die unmittelbar vor dem Fuß des Hohen Atlas platzierten Weiler, welche sich eng an einen hier weit in die karge Landschaft vorgreifenden Grünstreifen anschmiegen. Geschickt hat man nicht etwa die fruchtbare Talaue zugebaut, sondern die Siedlungsräume oberhalb derselben in die karge Landschaft verbannt, um dem fruchtbaren Teil dieser ansonsten so kargen Landschaft auch den letzten Ertrag abzuringen.

 

Als wir uns dem grünen Band am Gebirgsfuß und damit unserem eigentlichen Ziel, den blühenden Mandelbäumen nähern, ist von Mandelblüte weit und breit nichts zu sehen. Michael vermutet aufgrund seiner botanischen Unterbelichtung wieder einmal vor lauter Wald die Bäume nicht zu sehen, doch Angelika, die in dieser Hinsicht ein gutes Auge hat, erkennt auch die nichtblühenden Mandelbäume. Sieht also ganz so aus, als hätten wir uns umsonst hierher bemüht.

 

Offensichtlich hat uns der Kälteeinbruch der letzten Tage, der den gesamten Atlasraum heimgesucht hat, einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nun enttäuscht umzudrehen ist allerdings nicht unser Ding, schauen wir also, was uns das nun einsetzende Vorgebirge noch zu bieten hat.

 

Die Straße schlängelt sich durch ein Siedlungskonglomerat, quert dabei mehrfach auf niederen Brücken die zumindest an der Oberfläche weitgehend trockenen, breiten Flusstäler und gewinnt zunehmend an Höhe. Die Außenbezirke der Weiler wirken in der mittäglichen Hitze wie ausgestorben. Das gesamte Leben ist auf die kleinen Ortskerne eingedampft. Hier eine tee- oder kaffeeschlürfende Männergruppe, dort ein paar spielende Kinder, vereinzelte Händler, Minimärkte auf denen Männer und Frauen lokale Gemüse und Früchte anbieten oder erwerben, eine Reparaturwerkstatt für Zweiräder, ein Reifenhändler. Amüsement, Kinderbetreuung und Arbeitsstätten sind innig miteinander verzahnt. Wir finden dieses bunte Treiben, das angesichts unserer Schleichfahrt wie in Zeitlupe an uns vorbeizieht ausgesprochen interessant.

 

Kaum haben wir die Weiler verlassen, beeindruckt das nahezu vegetationslose, intensiv gefaltete Vorgebirge. Abseits der Straße humpelt eine Gruppe Esel durch das Gelände. Erst glauben wir, die Tiere seien verletzt. Doch als wir aussteigen, um uns ihnen zu nähern, erkennen wir, dass ihre Vorderläufe mit Schüren fixiert sind, um ihre Bewegungsfreiheit einzuschränken. Das sieht erst einmal aus wie Tierquälerei, ermöglicht den Eseln aber einen deutlich größeren Aktionsradius als dies eine Leine bieten könnte und gewährleistet, dass sie ihren Nahrungsbedarf einigermaßen befriedigen können. Trotzdem sind gut genährte Tiere eigentlich während unseres gesamten Aufenthalts eher die Ausnahme. Im ländlichen Raum mangelt es einfach überall am Geld.

 

Wo innerhalb der trocken gefallenen Gebirgstäler Wasser zutage tritt oder in geringer Tiefe den Untergrund durchfließt, haben sich kleine Schilfwäldchen ausgebildet. Ob diese eigens angepflanzt oder schon immer wild hier gewachsen sind, wissen wir nicht. Unverkennbar ist jedoch, dass die Einheimischen hieraus ihren Vorteil zu ziehen wissen. Die bis zu 2,50 m Meter hohen, inzwischen weißgelb leuchtenden Schilfhalme werden überall abgeerntet und bilden, wie wir das schon einige Male beobachten konnten, zu Schilfmatten geformt, das abschließende Ziergeflecht der Gebäudedecken.

 

Nachdem wir uns von Skoura aus der P1502 folgend, ca. 45 km in Richtung Norden bewegt haben, wird es nun Zeit den Rückweg anzutreten, denn das Zeiteisen zeigt schon fast 12:30 Uhr und wir haben noch ein gutes Stück Weg zurückzulegen.

 

Gegen 13:30 Uhr sind wir wieder auf der N10 und bewegen uns nun in Richtung Boumalne Dades. Die Straße ist neu asphaltiert, für eine Überlandstraße ist relativ wenig Verkehr und so rollen wir zügig auf langgezogenen Geraden gen Osten und schrubben Kilometer um Kilometer. Links und rechts der Straße breitet sich nahezu unbewachsenes Ödland aus. Solange das Asphaltband diesem hochgelegenen, jedoch flachen Landstrich folgt sind die Aussichten wenig beeindruckend. Gelegentlich ist die Straße aber auch gezwungen den einen oder anderen kleinen Höhenrücken zu überwinden, da lohnt es sich das Auto einmal zu verlassen, auf einen der angrenzenden Hügel zu steigen und den Blick über die einsamen Weiten schweifen zu lassen. Michael möchte nicht verschweigen, dass Angelika wieder einmal völlig anderer Auffassung ist. Kein Mensch, kein Tier, keine Pflanze, es wird nichts verkauft, was bitteschön soll es da zu sehen geben? Nichts! Dafür dann auch noch auf einen Hügel klettern und das alle 20 bis 30 km. Wie blöd ist das denn? Nein, danke!

 

Irgendwann nähern wir uns einer Raststätte und beschließen dort eine Kleinigkeit zu essen und unsere trockenen Kehlen zu befeuchten. Uns fällt sofort auf, dass die eben in den Dörfern noch zu beobachtende Trennung von Männern und Frauen hier fast aufgehoben zu sein scheint. Die Seitentäler des Atlas und die nur wenige Zehnerkilometer entfernte Ost-West-Magistrale, Sinnbilder für Tradition auf der einen und Moderne auf der anderen Seite. Geschmacklich ist natürlich auch die Raststätte in der Moderne angekommen, typische fade Kantinenkost, dafür leicht überteuert und vermutlich dennoch die Zukunft.

 

Auf unserem weiteren Weg machen wir am Rande des Dadestals eine interessante Entdeckung. An einem Hochplateau über dem Fluss schließt eine mächtige Gesteinsdecke eine Schichtenfolge nach oben ab. Diese Gesteinsdecke wird von weniger verwitterungsresistenten Sedimenten unterlagert, die vom Regen teilweise ausgespült worden sind. Hierdurch wiederum fehlt der überlagernden Gesteinsdecke nun das Fundament, so dass sich gewaltige Gesteinsblöcke aus dieser Decke herausgelöst haben, die nun sukzessive in Richtung Tal abrutschen und wie überdimensionierte Bauklötze in der Landschaft liegen.

 

Gegen 16:00 Uhr erreichen wir, früher als erwartet Boumalne Dades. Wir überqueren das Dadestal und folgen der Hauptstraße auf der gegenüberliegenden Seite den Berg hinauf. Kurz bevor man die Anhöhe erreicht, befindet sich auf der rechten Fahrbahnseite ein etwas größerer Parkplatz von dem aus man eine schöne Aussicht über die Talaue und die Stadt hat. Kurz danach folgt das Hotel-Restaurant Al Manader, das wir uns als nächste Heimstätte ausgesucht haben. Im Reiseführer fällt das Anwesen in die niedrigste Kategorie 1 bis 2, das würde zwar unseren Geldbeutel schonen, aber Lust auf Bettwanzen haben wir natürlich auch nicht. Also bitten wir schon fast routiniert um eine Besichtigung der Räumlichkeiten.

 

Das Personal ist ausgesprochen zuvorkommend und bietet uns gleich drei Räume zur Auswahl an, was schlicht damit zusammenhängt, dass wir fast die einzigen Gäste sind. Auch das könnte man nun wieder als negatives Vorzeichen deuten, tatsächlich scheint es schlicht so zu sein, dass zumindest im Winter die Zahl der Herbergen die der potentiellen Gäste deutlich übersteigt. Dem entsprechend ist keines der Zimmer wirklich zu bemängeln, im Gegenteil haben wir wegen des teils schon etwas penetranten Putzmittelgeruchs den Eindruck hier starb sämtliches Ungeziefer einen dreifachen Tod. Also lassen wir uns nicht mehr lange bitten, sondern wählen das uns angenehmste Zimmer aus und richten uns in unserem Nachtlager häuslich ein.

 

Wir beschließen, solange es noch einigermaßen hell ist, noch einmal in die Unterstadt zu laufen und uns ein wenig umzusehen. Wir erreichen den etwas abseits der Hauptstraße gelegenen und von Gebäuden und Mauerwerk umfriedeten Marktplatz. Weil heute aber kein Markttag ist, dient dieser nur als staubige Abstellfläche für PKW und kleinere LKW, also drehen wir gleich wieder ab in Richtung Hauptstraße. Hier hat sich inzwischen einiges geändert. Während wir am Nachmittag auf unserem Weg zum Hotel das Zentrum des Städtchens noch zügig passieren konnten, füllt sich die Hauptstraße nun mit immer mehr Menschen. Ohne jede Vorwarnung, und ohne ein Eingreifen der Ordnungsmacht übernehmen sie nun mit der größten Selbstverständlichkeit den gesamten öffentlichen Raum inklusive der Verkehrswege und alles was nicht zu Fuß unterwegs ist, hat sich hinten anzustellen. Und während dieses Verhalten tagsüber vermutlich ein Hupkonzert ausgelöst hätte, wird der Trubel, der immerhin die Hauptverkehrsstraße blockiert mit einem Gleichmut hingenommen, der uns schon einigermaßen verblüfft.

 

Wir decken uns noch mit einigen Leckereien für den Abend ein und begeben uns den Berg hinauf zu unserem Hotel. Trotz niedriger Hotelkategorie haben die hier zumindest in der Lobby sogar WiFi, also versuchen wir mal via Skype und What`s app Kontakt mit den Kindern in der Heimat aufzunehmen. Beides funktioniert, wenn auch mit mehreren Unterbrechungen, die die Jugend zuhause selbstverständlich nicht dem unzureichenden lokalen Netz sondern den mit Wurstfingern ungeschickt agierenden alten Säcken zuschreibt. Frechheit, was man sich als älterer Mensch heute alles gefallen lassen muss.

 

Den heutigen Tag könnte man als Überführungsetappe von einem Highlight zum nächsten betrachten, wobei eigentlich nichts Herausragendes passiert ist oder zu sehen war. Trotzdem hatten wir einen wirklich schönen Tag, denn wir konnten uns ohne Rücksicht auf Besuchszeiten, günstige Sonnenstände für Fotoaufnahmen oder andere vermeintliche Zwänge einfach so treiben lassen, anhalten wo es uns gefiel und die zwar karge aber eben auch fremde und deshalb doch wieder interessante Landschaft in vollen Zügen genießen. Zugegeben, die Interpretation ist etwas michaellastig, Angelikas Einschätzung würde geringfügig anders ausfallen. Aber man darf den Frauen auch nicht immer das letzte Wort überlassen!