So., 04.11.2018, Ouzoud-Demnate, 157 km
Die 156 km beziehen sich auf die Gesamtstrecke, also hin und zurück.
Wir verlassen unseren hübschen Campingplatz in Richtung Demnate. Die Strecke, immerhin 65 km Landstraße sind wir gestern schon, von Marrakesch kommend abgefahren, haben aber mangels funktionierendem Internet im All Green House übersehen, dass es unweit Demnate eine ganze Reihe von Saurierspuren und eine Naturbrücke gibt, die ein lohnendes Ziel sein könnten. Also geht es nochmal 65 km zurück, die zum Glück wie im Flug vergehen, denn wir haben schönes Wetter und wir können heute mal etwas stärker aufs Gaspedal treten. So erreichen wir Demnate bereits nach knapp einer Stunde Fahrtzeit. Von Demnate sind es nun nur noch wenige Kilometer bis Imi n' Ifri, wo sich die Naturbrücke an der Abzweigung RN 23 / R302 über einen Gebirgsbach spannt. Dass wir das Ziel erreicht haben, erkennen wir einmal mehr an der Vielzahl, der auf unseren Wagen einstürmender Parkplatzwächter, die uns alle auf ihre Freiflächen bugsieren wollen.
Wir fragen einen der Parkwächter nach dem Preis, der mit 10 MDH überraschend günstig ausfällt und sind froh unser Auto sicher untergebracht zu wissen. Bei der Anfahrt konnten wir lediglich eine tiefe Schlucht erkennen, in der ein Flüsschen verlaufen dürfte. Vom Parkplatz aus erkennen wir erst einmal gar nichts, vermuten die Sehenswürdigkeit irgendwo im Hinterland und wollen uns erst einmal orientieren.
Doch wir haben das Auto noch nicht richtig verlassen, da kommt auch schon der erste Fremdenführer. Ungebeten fängt er mit allgemeinen Floskeln an, fragt nach der Nationalität und meint dann, Deutsche und Berber hätten eins gemeinsam, sie seien beide sehr intelligent. Na, das hört man doch gerne. Wir fürchten allerdings, dass es wieder einmal nur darum geht uns schlitzohrig einzulullen und da sind die meisten Berber Michael um einiges überlegen. Wir ahnen böses und versuchen unseren Freund durch gezieltes Desinteresse loszuwerden. Aber die Jungs haben alle Stehvermögen und auch er bleibt dran und weil so früh und so abgelegen wenig Betrieb ist, kann er sich voll auf uns konzentrieren. Sehr ungünstig!
Während wir also immer weiter angebaggert werden, gehen wir an den Straßenrand und sehen per Zufall, dass wir gar nicht mehr nach der Naturbrücke suchen müssen. Wir stehen mitten drauf, unter uns ist eine tiefe Schlucht ausgebildet. Dort hinunter führen zu beiden Seiten der Straße Fußwege, die wenige Zehnermeter entfernt, leicht zu finden sind. Der Führer folgt uns in Richtung der südlichen Zuwegung und läuft einige Meter in diese hinein. Wir bleiben zurück und fotografieren den Canyon von der Straße aus. Als er aus unserem Sichtfeld verschwunden ist, drehen wir um, begeben uns an den nördlichen Abstieg und bewegen uns nun in aller Ruhe nach unten.
Der Weg ist schön breit und gut präpariert, mehrere Serpentinen reduzieren das Gefälle und so gelangen wir ganz gemütlich nach unten. Schon von weitem erkennt man, dass sich unsere Extratour absolut gelohnt hat.
Da der Canyon nach Norden einfällt, stehen wir nun sozusagen am unteren Ende der Naturbrücke und sehen uns mit einem gewaltigen steinernen Bogen konfrontiert. Schwarze, etwa amselgroße Vögel fliegen in Schwärmen wild in dem vom Steinbogen und den Canyonwänden gebildeten Talkessel hin und her. Im Deckenbereich ist der Bogen immerhin ca. 65 m breit und gibt damit tatsächlich der R302 und der RN 23 genügend Platz, die Schlucht zu queren. Die wahren Ausmaße der Naturbrücke lassen sich mit handelsüblichen Fotoformaten gar nicht richtig fassen. Nimmt man den Bogen mit dem Weitwinkelobjektiv aufs Korn, dann sind die als Maßstab dienenden Personen nicht mehr zu erkennen, bei längeren Brennweiten geht die Totale flöten. Wie man es auch anstellt, es bleibt ein schwieriges Unterfangen.
Auf dem Talgrund hat der Fluss gewaltige Blöcke aus dem anstehenden Gesteinsverbund herausgelöst oder durch fluviatilen Transport dorthin verfrachtet. Dies deutet darauf hin, dass das Gewässer gelegentlich erheblich mehr Wasser führt, als das am heutigen Tag der Fall ist.
Am Rande des Canyons ist ein kleiner Wasserfall, eigentlich eher eine Wasserrutsche zu sehen, der sich seinen Weg durch den verkarsteten Untergrund gebahnt hat und mutmaßlich vom Oberlauf des Flusses gespeist wird. Der Wasserfall bietet sich als Hintergrund für ein Foto an und so machen wir einige Aufnahmen als eine Stimme aus dem Hintergrund auf uns einredet. Wir drehen uns um und der Schreck fährt uns in die Glieder. Unser Reiseführer steht hinter uns und grinst uns an als wollte er sagen: „Gell, da staunt ihr, dass ich schon wieder da bin“. Wie ist der denn so schnell hier hergekommen, der ist doch auf der ganz anderen Seite heruntergelaufen. Es muss also einen Weg geben, der unter der Naturbrücke hindurchführt und den möchten wir uns natürlich auch gerne ansehen.
Zunächst haben wir aber wieder die Aufgabe unseren Freund loszuwerden, der sich nun als erfahrener Porträtfotograf anpreist und uns drängt ihn ein Foto von uns machen zu lassen. Gegen ein Foto hätten wir gar nichts einzuwenden, aber wir ahnen den Fortgang der Ereignisse und lehnen dankend ab. Zum Glück gibt es jetzt weitere Opfer, denen er sich widmen kann und so haben wir endlich Ruhe für den Rest des Tages.
Wir nähern uns nun der Naturbrücke und sehen, vor den großen Gesteinsblöcken stehend, keinen Weg, der weiterführen könnte. Wegen der jahreszeitlich bedingt, stark schwankenden Abflüsse würde es sich auch gar nicht lohnen einen anzulegen, denn der würde weggerissen. Davon abgesehen würde das Naturdenkmal immer weiter verschandelt und so ist es unabdingbar, mit dem vorhandenen vorliebzunehmen. Als eine kleine Wandergruppe von der gegenüberliegenden Seite unseren Standort erreicht, sehen wir endlich wo es lang geht. Wir müssen mit allen Vieren auf den glitschigen und von Sand und Schlamm verschmierten, überdimensionierten Blöcken hochkraxeln, was uns schließlich auch gelingt.
Nach dieser ersten Steilstufe ist es eigentlich auch schon geschafft. Denn zwischen den Gesteinsblöcken haben sich Kiese und Sande abgelagert, die den weiteren Aufstieg nun deutlich erleichtern und so gelangen wir nun unter das Deckengewölbe.
Über unseren Köpfen überall von säurehaltigen Wässern ausgeformte Stalaktiten. Die Brücke ist unheimlich beeindruckend. Gut möglich übrigens, dass man mit dem Überbau durch Straßen und Parkflächen sogar noch etwas Gutes bewirkt hat, denn nun können Niederschlagswässer das Gewölbe nicht mehr so schnell auswaschen und die Lebenserwartung der Naturbrücke wird damit vermutlich sogar noch erhöht.
Weiter geht es nach oben und nun hat man sogar eine etwas unförmige Naturtreppe angelegt. Vermutlich sind wir jetzt in einer Höhe, die auch von den stärksten Unwetterabflüssen nicht mehr erreicht wird, sodass sich die Investitionen in die Infrastruktur lohnen.
Als wir das Gewölbe am südlichen Ausgang verlassen, empfehlen uns Einheimische einen Blick zurückzuwerfen. Der Umriss des nördlichen Ausgangs nimmt aus dieser Perspektive die Form des afrikanischen Kontinents an. Das ist schon eine ungewöhnliche Konstellation.
Kurz vor dem Ende der Naturbrücke fällt unser Blick noch einmal zurück in das von zahlreichen Sturzfluten ausgefräste Bachbett.
Bevor wir aus der Schlucht aussteigen können, müssen wir noch einmal eine glitschige Felspartie überwinden, danach setzt wieder ein gut ausgebauter breiter Wanderweg ein, der uns rasch zur Straße hochführt.
Auf einer Karte des Campingplatzes haben wir gesehen, dass man sich unweit der Naturbrücke von Imi n' Ifri Saurierspuren ansehen kann. Wir erkundigen uns beim Parkwächter und erhalten die Info, dass wir der R302 nochmals etwa 7 km folgen müssen, um dorthin zu gelangen.
Wir haben zwar überhaupt keine Vorstellung, wie wir die Lokalität in dieser Einöde finden sollen, machen uns aber trotzdem mal auf den Weg. Die kurze Strecke bewältigen wir in 10 Minuten und zu unserer großen Überraschung stimmt nicht nur die Kilometerangabe, sondern es steht auch noch ein nicht zu übersehendes Schild am Ort der Begierde.
Blind wie Paul stolpern wir durch das Gelände und sehen erst einmal gar nichts. Dann kommt ein kleiner Junge und vermutlich dessen Mutter auf uns zu und meint, wir müssten in den mit einer Mauer eingefriedeten Bereich gehen, um die Spuren zu besichtigen. Für den Eintritt verlangen sie 20 MDH, dann schließt uns die Frau auf und weil wir immer noch ziemlich dusselig durchs Gelände stapfen, hat der Kleine ein Einsehen und weist uns gestenreich den Weg.
Wenn man erst einmal weiß, wonach man suchen muss, ist es gar nicht mehr so schwer. Aber auf uns alleine gestellt, wären wir vermutlich unverrichteter Dinge wieder abgezogen. Auch wenn wir hier in der semiariden Klimazone sind, arbeiten Temperaturschwankungen, gelegentlicher Frost und Niederschläge beständig an den Spurenfossilien und die Fußabdrücke haben dementsprechend gelitten.
Aber Größe und Schrittweite sind gut nachzuvollziehen und so kann man sich mit etwas Fantasie und der Schautafel schon ein Bild machen, wie es hier vor langer Zeit einmal zugegangen sein mag. Die hier lebenden Saurier waren relativ klein, lebten aber vermutlich in Gruppen. In freier Wildbahn hätten man diesen sicher nicht begegnen wollen.
Zurück an unserem fahrbaren Untersatz geht es nun relativ zügig nach Demnate, wo uns nun ein Mercedesbus nach dem anderen entgegenkommt. Jetzt ist uns auch klar, was die hier wollten. Heute war Markttag und wegen der Enge der Stadt, mussten sie gestern außerhalb parken, daher der ganze Auftrieb. Und nachdem man jetzt seine Waren ausgetauscht oder in Bares umgesetzt hat, geht es zurück in das Hinterland.
Uns zieht es nun relativ zügig nach Ouzoud, denn wir wollen den Wasserfall zeitig erreichen, um anschließend abzuwarten, bis die Sonne auch den obersten Teil des Wasserfalls nicht mehr anstrahlt, um hässliche Halbschattenbilder zu vermeiden. Am späten Nachmittag hat man in Ouzoud auch noch den Vorteil, dass die Bustouristen bereits wieder auf dem Heimweg sind. Die überwiegend von Marrakesch aus anreisenden Busse, von denen uns am Vormittag alleine auf unserer Nebenstrecke 5 begegnet sind, verlassen spätestens zwischen 15:00 und 16:00 Uhr die Wasserfälle und der Touristenandrang geht dann erheblich zurück. Auf der begrenzten Talfläche kann man sich dann wieder nahezu ungestört bewegen. Soweit wir das nachvollziehen konnten, gibt es keinen Fahrstuhl oder vergleichbare Gehhilfen, die einem die vielen Stufen ins Tal hinunter ersparen könnten.
Der Zugang wird, wie in Marokko üblich, von Händlern und Restaurants flankiert, sodass also niemand verhungern oder verdursten muss. Die Händler sind, das muss hier erwähnt werden, angenehm unaufdringlich. Wer sich den Weg ins Tal teilweise oder vollständig ersparen möchte, der findet auch oben oder auf halber Höhe oder von einer der zahlreichen Restaurantterrassen einige Aussichtspunkte, von denen aus man den Wasserfall ganz gut einsehen kann.
Michael muss selbstverständlich bis ganz nach unten. Der Weg dorthin ist recht breit und größtenteils gut präpariert. Tagsüber mag es eng werden, aber am späten Nachmittag ist der Abstieg überhaupt kein Problem. Auf halber Höhe zweigt ein Weg zu einer Besucherterrasse ab, von der aus man eine schöne Aussicht hat. Drei, vier Fotos und weiter geht es nach unten.
Während des Abstiegs gibt, es auf halber Höhe eine schöne Aussichtsplattform von der aus man die Fälle gut überblicken kann.
Die letzten zwei Dutzend Treppenstufen vor dem Talgrund sind ziemlich versaut, weil die vielen Besucher auf dem dort unbefestigten Erdplanum mit den Schuhen den wässrigen Schlamm aufnehmen und diesen beim Aufstieg allmählich wieder abstreifen. Dann haben wir es geschafft und können nun in Ruhe die besten Aufnahmepositionen austesten, denn die Sonne steht noch zu hoch.
Die Bootsführer, denen inzwischen die Kundschaft auszugehen droht, betteln ein wenig, ob man nicht doch eine Fahrt ganz nahe ans Wasser machen möchte. Aber Michael hat zu viel Angst um seine Fotoausrüstung und Angelika fürchtet dem Wasserfall zu nahezukommen, also ist mit uns kein Geschäft zu machen. Dass den Booten die Kundschaft ausgeht, kommt uns allerdings auch ganz gelegen, denn ansonsten würde man vor lauter Booten den kleinen See, der sich in der Prallzone des Wasserfalls ausgebildet hat, gar nicht sehen.
Als die Sonne endlich den ganzen Wasserfall freigibt und sich eine gleichmäßige Belichtung eingestellt hat, ist die Zeit für die Fotoaufnahmen gekommen. Leider fehlt der Szenerie jetzt ein wenig die Strahlkraft und die Aufnahmen werden nicht wirklich perfekt. Viel unterwegs bedeutet halt mit Kompromissen leben zu müssen und so machen wir das Beste daraus.