Gestern haben wir uns kurzfristig vorgenommen, das ehemalige Salzbergwerk in Wieliczka zu besuchen. Wegen des Besucherandrangs ist Samstag vermutlich nicht der günstigste Tag, aber unsere Füße brauchen Erholung. Jeden Tag 8 Stunden durch Krakau latschen strengt an (Quelle: openstreetmap, Lizenz CC-BY-SA 2.0).
Das Salzbergwerk öffnet um 09:00 Uhr und wir schaffen es doch tatsächlich bereits um 09:15 vor Ort zu sein. Wir stellen unser Fahrzeug auf dem Parkplatz am Gradierwerk südlich der Straße Edwarda Dembowskiego ab. Die Parkgebühren sind passend zur Lokalität gesalzen, 6 Zloty pro Stunde verlangen die Raubritter. Vom Parkplatz aus sind es noch zwei- bis dreihundert Meter Fußweg. In südöstliche Richtung geht man eine leichte Anhöhe hinauf und schon steht man vor dem Haupteingang.
Das Besucherbergwerk ist gut organisiert, auf einer mit Flaggen markierten Schautafel sieht man auf den ersten Blick, wann die nächste Führung in der Landessprache stattfindet und auf einer weiteren, wie viel freie Plätze noch zur Verfügung stehen. Gruppen- und Individualreisende werden an separaten Kassenhäuschen bedient. Die Erlaubnis zu fotografieren lässt man sich gesondert vergüten.
An den Schautafeln erkennt man auch, dass hier mittlerweile internationales Publikum am Start ist und so werden u. a. Führungen in Russisch, Französisch, Deutsch, Spanisch, Englisch und natürlich Polnisch angeboten. Für die Einheimischen kostet die Führung 64 Zloty für Ausländer 89 Zloty. Das kann man noch nachvollziehen, weil Ausländer nun mal einen Übersetzer brauchen.
Die nächste Führung in deutscher Sprache findet leider erst um 10:45 Uhr statt, da haben wir noch etwas Zeit, die wir nutzen, um die Umgebung des Salzbergwerks zu erkunden. Auch wenn das Bergwerk längst stillgelegt ist, scheint sich in dem Ort weiterhin alles um das Salz zu drehen. Spielte früher das Produkt Natriumchlorid die erste Geige, so sind es heute der Besuchertourismus und die Kurgäste, die das Einkommen sichern.
Das Städtchen wirkt sehr aufgeräumt, so wie ein Badeort bei uns und wahrscheinlich kann man hier auch kuren, jedenfalls deutet das Gradierwerk darauf hin.
Der östliche Zugang zu den Kassenhäusschen. Etwas unterhalb hiervon befinden sich die Souvenirläden, welche auf dem nachfolgenden Foto zu sehen sind.
Versorgungsstation schräg gegenüber der Kassenhäuschen am Haupteingang. An denen kommt Michael selten vorbei. Die Grillwurst ist auch wirklich lecker.
Angelika heute mal leicht deformiert vom Weitwinkelobjektiv.
Gegen 10:30 Uhr sollen wir uns am Nationalitätenkennzeichen einfinden und gegen 10:45 Uhr werden wir dann von einer gertenschlanken Übersetzerin (Neid macht sich breit!) abgeholt. Unsere zunächst recht kleine Gruppe ist im Laufe der Wartezeit auf 28 Individualtouristen angewachsen.
Nur noch wenige Minuten, dann geht es in einen Vorraum, in dem wir noch einmal kurz gebrieft werden, wie der weitere Ablauf sein wird, dort erhalten wir auch einen Funkempfänger mit Knopf im Ohr, sodass wir unsere Führungskraft auch hören können, wenn wir nicht in ihrer unmittelbaren Nähe sind. Nun wird noch die Funkfrequenz eingestellt, der Empfang gescheckt und dann kann es losgehen.
Zunächst geht es über eine etwas längere Gerade in Richtung eines hölzernen Treppenhauses, alles ist recht schick gemacht und gut zu begehen. Das Treppenhaus führt über 54 Einheiten mit je 7 Stufen, also 378 Stufen in die Tiefe. Schon hier legt unsere Führungskraft ein ordentliches Tempo vor und weil das Treppenhaus recht eng ständig gebaut ist, hat man nach einiger Zeit einen leichten Drehwurm.
Wo soll das enden?
In 64 m Tiefe angekommen muss man das Hirn erst einmal wieder ausrichten, um Kurs zu halten und mit dem Schädel nicht gegen die Wand zu laufen. Glücklicherweise befindet sich dort ein etwas größerer Raum, wo man auf Bänken kurz rasten kann, bis die Truppe vollzählig und der Drehschwindel abgeklungen ist. Unten in der Mine beträgt die Temperatur ganzjährig 14 bis 16 Grad. Man sollte sich also entsprechend kleiden. Da die Führung einige Zeit in Anspruch nimmt, gibt, es untertage auch Toiletten.
Im weiteren Streckenverlauf ist mit verschiedenen Motivszenen die Arbeit der ehemaligen Minenarbeiter dargestellt, außerdem kann man verschiedene Formen der Grubensicherung erkennen und einige Künstler durften sich mit Figuren, die sie aus dem Steinsalz geschnitzt haben, verewigen. Wie uns unsere Übersetzerin ebenfalls wissen lässt, wurde in Wieliczka immer nur Steinsalz, jedoch kein Kalisalz abgebaut.
Wie wir schon am Besuchereingang feststellen konnten, werden die verschiedenen Besuchergruppen in Abständen von wenigen Minuten in die Mine eingelassen. Das führt nun in den Gängen und vor allem den Lokalitäten, an denen die Arbeiten im Bergwerk verbal oder durch entsprechende figürliche Darstellungen erläutert werden, dazu, dass die Verweildauer der einzelnen Besuchergruppen sehr genau eingehalten werden muss.
Weil das in der praktischen Umsetzung dann doch nicht wirklich funktioniert, laufen wir mehrfach auf die vor uns befindliche Gruppe auf, sodass sich unsere Führungskraft genötigt sieht, uns immer wieder auszubremsen. Dies hat aber nach einiger Zeit den umgekehrten Effekt, dass jetzt die hinter uns befindliche Gruppe auf uns aufläuft und das alles bringt eine gewisse Unruhe und Hast in den Ablauf. Auch mischen sich die Gruppen gelegentlich, was unserer Führungskraft gar nicht gefällt. Sie ist stets bemüht niemanden in der Mine zu verlieren, was offensichtlich immer mal wieder vorkommt und deshalb wird wie in einer Grundschulklasse regelmäßig durchgezählt, ob auch wirklich alle Teilnehmer noch beisammen sind.
In manchen Passagen ist das Verbau Holz weiß gestrichen, damit ahmt man die frühere Vorgehensweise des Kalkens nach, die dazu diente, das schummrige Grubenlicht zu reflektieren und die kärgliche Beleuchtung durch die Grubenlampen damit zu verbessern.
Methan ist in den meisten Bergwerken ein Problem, weil es bereits ab 4,4 Vol.-% in der Luft explosionsfähig ist. In den mittelalterlichen Bergwerken waren diese Zusammenhänge zwar nicht im Detail bekannt, man wusste jedoch, dass man durch regelmäßiges Abfackeln der Grubenwände die Gaskonzentrationen so weit reduzieren konnte, dass Explosionsgefahren minimiert wurden. Die Arbeit war gefährlich, weil hierbei offenes Feuer an langen Stangen an den Raumwänden entlang geführt werden musste und die vorhandenen Konzentrationen nicht exakt vorhergesagt werden konnten.
Wie wir von unserem „Leittier“ erfahren, hatten die Salzminen im Mittelalter eine erhebliche Bedeutung für den Staatshaushalt. Zeitweise machten alle Salzminen Polens zusammen bis zu einem Drittel der polnischen Staatseinnahmen aus.
Da es im mittelalterlichen Bergbau nur wenig Maschinen gab, mussten Menschen und bei größeren Lasten Pferde über Seilwinden und Vertikalschächte die Salzblöcke an die Erdoberfläche schaffen.
Eine figürliche Darstellung zeigt, dass sogar im Neolithikum, vor etwa 6.000 Jahren in Wieliczka bereits Salz gewonnen wurde, dies allerdings nicht bergmännisch, sondern lediglich an Stellen an denen das Salz oberirdisch zutage trat.
Nun geht es von unserem bisherigen Niveau in ca. 65 m Tiefe weiter nach unten auf ein Niveau von etwa 80 m unter Geländeoberfläche. Waren die Treppen bisher überwiegend aus Holz, sind die Stufen jetzt teilweise auch direkt aus dem Salz gehauen. Mit dem Fotografieren wird es, wegen der spärlichen Beleuchtung nun aber teilweise recht schwierig.
Hier wird Grubensole über hölzerne Ablaufrinnen in die künstlich angelegten Seen abgeleitet, um die wässrige Lösung unter Kontrolle zu bringen.
Wir erreichen die Kapelle des Heiligen Kreuzes, eine Bergwerkskapelle, von denen es früher eine ganze Reihe gab, da die Bergleute angesichts der hier unten lauernden Gefahren sehr fromm waren. Der Fußboden besteht übrigens aus Steinsalz, einem wunderbaren Belag, solange man nicht feucht durch wischt.
Wenig später erreichen wir den ersten größeren Raum, in dem verschiedene religiöse Motive aus den Salzwänden herausgearbeitet worden sind. Abgesehen von einigen Sicherungselementen ist in diesem Raum alles aus Salz, selbst die Elemente der Kronleuchter bestehen aus Salzkristallen. Glaubt man unserer Führerin, so wurden die Arbeiten immer nur von 2 bis 3 Leuten gleichzeitig ausgeführt, sodass die Fertigstellung aller Motive mehrere Jahrzehnte in Anspruch genommen hat.
Für viele Besucher ist dieser Raum das Highlight des Rundgangs. Eine etwas kräftigere und ausgewogenere Belichtung hätte dem Raum allerdings gutgetan, dann müsste man die Kamera nicht ständig an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit bringen und könnte der interessierten Öffentlichkeit einen besseren Eindruck vermitteln. Noch beeindruckender als diesen Raum findet Michael die noch kommenden großen Kammern, deren Sicherungs- und Stützkonstruktionen sowie die künstlich angelegten Seen.
Wir verlassen den Raum und laufen über einen Fußweg, der aus Salzlecksteinen für das Vieh geformt worden ist.
Schließlich erreichen wir einen See, der allerdings nicht natürlichen Ursprungs ist, sondern künstlich geschaffen wurde. Wasser ist in einem Bergwerk immer ein Problem und in einer Mine, die aus wasserlöslichem Gestein besteht, ist das Problem natürlich noch um einiges größer. Deshalb war man stets bemüht, das Wasser zu sammeln und abzuleiten. Da dies auch heute noch geschieht, liefert auch die bereits stillgelegte Salzmine in Wieliczka immer noch Salz aus der im Wasser gelösten Fracht. Ärgerlich immer wieder, dass man nicht ein wenig mehr Geld in eine ausreichende Beleuchtung investiert.
Wenig später gelangen wir in einen weiteren großen Raum, dessen Deckengewölbe mittels einer aufwendigen Stützkonstruktion ausgestattet ist.
In einem weiteren Raum sehen wir eine etwas anders gestaltete Stützkonstruktion. Wir gönnen uns 10 Minuten Pause, die genutzt werden können, um die Toilette aufzusuchen oder Fotos zu machen. Wie eingangs schon erwähnt, kostet Fotografieren 10 Zloty extra, Michael hat wieder einmal gezahlt, alle andern zücken das Handy und niemand kümmert es. Ein dezenter Hinweis unserer Fremdenführerin erinnert noch einmal an das erforderliche Ticket. Sollte man dieses noch nicht besitzen, könne man sich das Foto-Ticket ja auch noch nach dem Minenbesuch besorgen. Na das Kamel möchte Michael sehen, dass sich anschließend noch ein Ticket besorgt.
Wie es der Zufall so will, befindet sich hier auch ein erster unterirdischer Verkaufsraum. Von hier ab nimmt die Kommerzialisierung kontinuierlich zu.
Dann erreichen wir einen weiteren kleinen See, der über einen Kanal mit einem anderen Gewässer verbunden ist. Als die Besucherzahl noch nicht so groß war, konnte man mit Booten entlang dieses Kanals auch noch fahren, aber inzwischen ist das leider nicht mehr möglich.
Gegen Ende der Führung gelangen wir in einen beeindruckend großen, mehrere Zehnermeter hohen, kuppelförmigen Bau. Befürchtungen, die Decke könne einem irgendwann auf den Kopf fallen sind unbegründet. Kaum zu erkennen, befinden sich in vielen Kammern zahlreiche, mehrere Meter lange sogenannte Anker, über die Salzlagen mit dem tauben Nebengestein fest verbunden (verankert) sind.
In diesem Raum sind weitere Verkaufsstände aufgebaut und es ist eine Entscheidung zu treffen, entweder man verlässt über langgezogene Tunnel in 15 Minuten das Bergwerk oder man folgt unserer Fremdenführerin noch ins Museum. Nachdem wir allerdings schon streckenweise im Schweinsgalopp durch das Bergwerk geleitet wurden, erscheint uns eine weitere Stunde im Museum nicht besonders verlockend.
Wir folgen also dem Schild in Richtung Exit. Vorbei geht es an einer Vielzahl von Verkaufs-ständen und Restaurants, hier wird die ganze touristische Verwertungskette voll ausgeschöpft.
Nachdem wir diese Lock- und Neppstrecke passiert haben, werden wir an einer Schranke aus Brokatschnüren gestoppt. Hier werden die Besuchergruppen in Gruppenreisende, Individualtouristen und Museumsbesucher unterteilt.
Gruppenreisende bleiben zusammen, bei den Individualtouristen werden Gruppen von etwa 20 Leuten gebildet, die dann alle paar Minuten durch scheinbar endlose Gänge in Richtung Ausgang geführt werden. Nachdem wir die "Brokatschranke" passiert haben, wird das Tempo noch einmal erhöht. Jüngere Leute ficht das nicht an, aber so manches ältere Semester bekommt leichte Schnappatmung. Und immer tut sich hinter einer nächsten Tür noch ein Gang, noch ein Gang und noch ein Gang auf. Als dann am Ende eines wirklich langen Fußmarsches endlich der Aufzug erscheint, atmen einige im wahrsten Sinn des Wortes tief durch. Der Ausgang des Besucherbergwerks befindet sich übrigens etwa 500 m östlich des Eingangs, das sollte man beachten, wenn man nach einer Führung Mitreisende treffen möchte, die von einem Ausflug in die Tiefe abgesehen haben.
Fazit: Ein Besuch des ehemaligen Salzbergwerks in Wieliczka ist vor allem für Besucher, die so etwas noch nie gesehen haben, durchaus empfehlenswert. Wer allerdings einen gemütlichen Spaziergang erwartet, der wird enttäuscht. Hier unten herrscht Massentourismus, man muss schon etwas aufpassen, dass man seine Gruppe nicht verliert und der Besuch ähnelt vor allem am Ende der Veranstaltung einem Parforceritt durch die unterirdischen Gänge. Unsere Fremdenführerin sprach gutes Deutsch, trug viele interessante Details vor und hatte gelegentlich auch eine witzige Note. Die ungemütliche Gangart dürfte ihr von den äußeren Umständen vorgegeben werden.
Langen Warteschlangen können wir für unseren Besuchstag nicht bestätigen. Da hiervon aber überall berichtet wird, empfehlen wir den Besuch, insbesondere in den Ferienzeiten, möglichst früh anzusetzen.