Besançon

Erste Telemaut in Frankreich

Donnerstag, 01.12.2022

Die Heimat ruft und trotzdem wollen wir noch einige Eindrücke in Frankreich aufsammeln. Deshalb verlassen wir Clermont-Ferrand bereits um 06:30 Uhr. Die Nacht war nicht ganz so kühl wie wir dachten, das erleichtert uns das Aufstehen. 

 

Weil wir so früh unterwegs sind, ist überhaupt kein Verkehr in den Straßen und wir kommen unbehelligt aus der Stadt. Unser Weg führt uns zunächst in Richtung Vichy. Unterwegs frühstücken wir in dem kleinen Örtchen Saint-Pourçain-sur-Sioule. Frag mich bloß keiner, wie das ausgesprochen wird. Am Rande der Altstadt haben wir parallel zur D2009 einen großen Parkplatz ausgemacht, der fast komplett leer ist und direkt gegenüber gibt es einen Bäcker. Also entscheiden wir uns hier eine erste Pause einzulegen, bevor wir wieder endlos einen geeigneten Parkplatz suchen müssen. Kaum haben wir unseren Frühstückstisch gedeckt, kommt ein LKW-Fahrer mit seinem 40 Tonner an und meint wir sollen weiterfahren, er bräuchte den Platz. Wir haben jetzt allerdings schon alles auf dem Tisch stehen, deshalb sage ich ihm, das geht jetzt gar nicht. Also bleibt er einfach mitten auf der Fahrspur stehen, blockiert die Zufahrt und rührt sich nicht mehr. Die Jungs meinen wirklich, wenn die kommen, muss alles in die Büsche springen. Wie dreist manche Leute sind. Aber uns ist das wurscht, wir stehen auf der Parkfläche.  Während wir frühstücken, sehen wir, dass der Platz gesperrt wird, weil die Stadt den Platz für Weihnachten festlich schmücken lassen möchte. Schlecht für unseren Straßenblockierer, er wird hinauskomplimentiert. Wir dürfen immerhin zu Ende frühstücken, dann geht es auch für uns weiter in Richtung Moulins. Von dort aus soll es dann eigentlich über Luzy, Autun und Beaune auf den jeweiligen Landstraßen weitergehen bis Besançon.

 

Durch eine Unachtsamkeit geraten wir aber kurz vor Moulins auf die neu gebaute Autobahn A79. Passiert halt, was will man machen. Dann denken wir uns, wenn wir schon einmal drauf sind, können wir jetzt auch Strecke machen. Doch Obacht und Fuß vom Gas, erst muss ja noch die Mautstation kommen. Aber die Mautstation kommt und kommt nicht. Erst denken wir noch, vielleicht muss man am Ende der Strecke bezahlen. Aber dann kommen Ausfahrten ohne jede Mautstation, das kann doch nicht sein. Wo zahlen die denn? Tatsächlich sind wir auf Frankreichs erste Autobahn mit Telemautsystem geraten. Was jetzt?

 

Während Michael fährt, durchsucht Angelika das Netz nach Antworten und wird fündig.  Auf der neuen Autobahn A79 wird die Maut ab November 2022 auf einem rund 30 km langen Abschnitt zwischen den Anschlussstellen Deux-Chaises (südwestlich Moulins) und Digoin elektronisch mittels Kennzeichenerfassung erhoben. Na, da haben wir ja einen Volltreffer gelandet. Die Maut kann online unter Angabe des Kfz-Kennzeichens, mit Kredit- oder EC-Karte vor oder nach der Fahrt bezahlt werden. Zahlen kann man aber auch an Automaten, die an Park- und Rastplätzen entlang der Strecke aufgestellt sein sollen. Komisch ist auch, dass nicht die ganze Strecke mautpflichtig ist, sondern nur einzelne Bauabschnitte, was dazu führt, dass wir am Ende überhaupt nicht mehr durchblicken, was wir jetzt eigentlich bezahlen sollen. Wir halten jedenfalls am nächsten Parkplatz an und suchen und finden auch einen Automaten. Zum Glück gibt es eine deutsche Erläuterung, sodass wir nach einigen Anläufen die Kurve kriegen und die 9,90 € für die Maut unserer Teilstrecke entrichten können. Ob wir alles richtig gemacht haben, bleibt uns trotzdem verborgen, denn der Automat möchte wissen, an welcher Auffahrt wir auf die Autobahn aufgefahren sind und das wissen wir nicht mehr. Also bibbern wir zu Hause noch einige Wochen, bis wir sicher sind, dass da nichts mehr nachkommt. Diesem Verfahren wird wohl die Zukunft gehören und bestimmt wird wieder jeder Betreiber sein eigenes System entwickeln. Da kommt jetzt schon Freude auf.

 

Um weitere Komplikationen zu vermeiden, verlassen wir nun an der nächstmöglichen Ausfahrt die Autobahn und fahren auf der Nationalstraße N79 nach Norden in Richtung Cluny weiter. Auch die N79 ist ausreichend breit und lässt sich gut befahren. Von Cluny geht es über Buxy nach Dole. Auch hier gibt es wenig zu beanstanden. Jetzt noch das letzte Stück von Dole nach Besançon, auf dem es ein wenig mühsamer wird und mit mehreren Pausen schaffen wir es dann schließlich bis 14:30 Uhr bis Besançon.

Besançon liegt, wie man auf der Karte unschwer erkennen kann, strategisch günstig in einer Flussschleife der Doubs. Durch den Fluss und die in Richtung Zitadelle steil ansteigenden Hänge war die Stadt im Mittelalter gegen äußere Feinde gut geschützt. Im Zuge der Industrialisierung wurde Besançon Zentrum der französischen Uhren- und Textilindustrie. Bis heute ist die Stadt führend in den Bereichen Mikro- und Nanotechnologie. Der Ort hat heute etwa 120.000 Einwohner (Quelle: openstreetmap, Lizenz CC-BY-SA 2.0).

Berühmte Söhne der Stadt sind Victor Hugo und die Gebrüder Lumiere. Letztere haben die erste Lichtbild-Vorstellung in einem Theater in Besançon durchgeführt. Danach zogen sie nach Lyon, um dort die erste öffentliche Kinovorstellung zu geben.

Der Stellplatz in Besançon liegt etwas versteckt, und bei enger werdenden Gassen sind wir immer etwas zurückhaltend, weil man nie weiß, ob man am Ende auch noch das Fahrzeug wenden kann. Wie man gleich sieht, sind unsere Befürchtungen unbegründet. 

Tatsächlich liegt der Stellplatz ausgesprochen günstig, unweit des Flussufers. Auf diese Weise ist man in kürzester Zeit im historischen Zentrum. Und er ist überraschend gut besucht. An der Hauptroute in Richtung Südfrankreich, Spanien und Portugal gelegen, bietet sich die Stadt für einen Zwischenstopp an.

Ein paar Fotos vom Stellplatz zu machen fiel uns leider erst nach der Rückkehr von unserem Stadtbummel ein, deshalb ist es schon ein wenig dunkel. 

VE-Station am unteren Ende des Stellplatzes.

Blick vom PKW-Parkplatz in Richtung Womo-Stellplatz und den dahinter liegenden Fluss. Der Platz fasst 12 Womos, die allerdings sehr dicht beieinander stehen und nicht länger als 8 m sein sollten. Stromanschlüsse sind nicht vorhanden, aber die VE ist kostenlos. Im Notfall kann man sich auch mal auf die angrenzenden PKW-Parkplätze stellen, das geht aber nur für Fahrzeuge, die nicht allzu groß sind.

Nachdem unser Wägelchen ordentlich abgestellt ist, halten wir uns gar nicht lange auf dem Stellplatz auf, denn die Zeit ist schon recht weit fortgeschritten und wir wollen ja noch etwas von der Stadt sehen. Wir merken deutlich, dass wir uns Mitteleuropa nähern. Kalt ist es geworden und wir müssen uns richtig dick einmummeln. Wegen des kalten Windes, der über den Fluss bläst, hilft aber auch das nur bedingt. Hinzu kommt dieses fürchterliche Grau in Grau, wir sehnen uns nach dem blauen Himmel und der Wärme des Mittelmeers, aber die Zeiten sind jetzt erst einmal vorbei.

Wir folgen dem Flussufer bis zur nächsten Brücke und begeben uns dort in Richtung Altstadt.

Wir erreichen die Église Sainte-Madeleine kurz vor der Battantbrücke.  

Die Grande Rue, die Haupteinkaufsstraße in der Altstadt.

Wir folgen der Grande Rue und erreichen im Herzen des Viertels Boucle die Kirche Saint-Pierre.  Ursprünglich im 4. Jahrhundert gegründet und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Plänen von Claude-Joseph-Alexandre Bertrand umgebaut, beeindruckt die beachtliche Höhe des Glockenturms.

Eine Reminiszenz an die analogen Tage des Uhrmacherhandwerks.

La Fontaine de la place Jean Cornet. Eckbrunnen des Bildhauers Pasche aus dem Jahr 1900 nach Entwürfen des Architekten Saint-Ginest. Dieser monumentale Brunnen ersetzte einen 1740 geschaffenen und während der Revolution zerstörten Brunnen.

Bêtises et Volup'thé in 79 rue des Granges. Unsinn und Volup'thé soll das heißen? Hätten doch einmal fragen sollen, was uns diese Worte sagen sollen. Aber, wir hätten die Antwort ja eh nicht verstanden.

Zwanzig Grad mehr und der Platz wäre richtig einladend. Aber dafür haben wir heute keinen Sinn. Uns ist nach Aufwärmen zumute.

Und für einen Moment werden wir auch erhört. Das ist doch schon viel angenehmer hier drin.

Fröstelnd geht es dann zurück zum Womo. Wir haben keine Muse mehr links oder rechts des Weges nach interessanten Details Ausschau zu halten. Nur die eleganten Straßenbahnen und ein Schnellrestaurant ziehen uns kurz vor dem Stellplatz noch in ihren Bann.

Ein schöner, großer, leckerer Hamburger mundet uns vorzüglich, da wird es einem doch gleich wieder warm ums Herz. Jetzt noch 300 m, dann haben wir es geschafft. Heizung an, TV an und ab in die Falle, erst mal schön aufwärmen.