Ginko biloba
Du Zeuge einer fremden Welt
hast dich als letzter zu uns gesellt.
Welche Welten sahst du untergehn,
berauschend doch die Pracht und Fülle der Natur
als letzte Art bliebst du am Ende nur.
Dein Schicksal ist bestimmt seit langer Zeit,
die Konkurrenz ist groß und offensichtlich übermächtig
unangefochten scheinst du da zu stehn.
Ich weiß es besser und ich lausche dir andächtig.
Bedauernswerter Weise bist du stumm,
so kannst du nichts darüber sagen
was deine Art wohl musste durch die Zeit ertragen.
Doch sicher war es weniger als heut,
wo zu den Totengräbern sich der Mensch gesellt.
In der ihm immanenten Hast und Gier,
gräbt er nun schneller als es alle andern könnten.
So ist dein Ende eine Frage nur der Zeit.
Wer wird dir folgen Ginko, wer der nächste sein?
Und gibt es wie in deinen jüngsten Tagen
auch neue Formen, die auf Zukunft hoffen lassen?
Die neue Horizonte dann erklimmen
von ungeahnter Größe und Struktur
und so vielleicht vergessen lassen,
dass deine Form und Eleganz getilgt sind hier von dieser Erde
fossiler Hauch in Stein, das bleibt doch nur.
Eisenberg Rhapsodie
Der Morgendunst hängt tief noch auf waldigen Hängen,
nur langsam kann die Sonne ihn verdrängen,
allmählich tritt befreit ins Tageslicht,
in jungfräulichem Schein des Berges Angesicht.
Schlafender Riese, unglaublich mächtig und so sanft doch auch zugleich,
Auf deiner Haut gedeihen Felder, Wälder, Wiesen,
doch was verbirgst darunter du in deinem dunklen Reich?
Da tut sich hinter allerlei Gewächs
ein dunkles Nichts auf, eine stille, unheimliche Leere.
Sanft hauchen kalte Lüfte dir entgegen,
sie stammen aus des Innern viel verschlungenen Wegen.
Sie flüstern dir ins Ohr: „Komm Fremder, steig doch ein“!
Noch hin- und hergerissen zwischen Neugier und Vernunft
denkst du am Anfang noch, lass es doch sein.
Doch bald schon lockt dich den Sirenen gleich
ein unbeschreiblich süßer Duft hinein ins dunkle Reich.
Entschlossen gehst du fremder Dunkelheit entgegen,
derweil ertrinkt dein kleines Licht im dicken Dämmer
von schier endlos lang gezogenen Wegen.
In diesen deinen Sinnen ungewohnt erscheinenden Gefilden,
lernst du auf neue Weise dir ein Bild zu bilden.
In jedem Finger haptisches Gewühle, du spürst den Fels
mal ist er glatt, mal rau, mal fettig anzufühlen,
Den Augen gleich fängt deine Haut mit ihm nun an zu spielen.
Dann spürst du wie die Gänge enger werden,
dein Leib berührt Gestein mit allen seinen Fasern.
Geborgenheit und Angst, sie sind nun eins,
dein Puls schlägt schneller und beginnt zu rasen.
Ganz plötzlich meinst du, jenes Band,
das dich und ihn verband, es ist zerrissen,
ein Urvertrauen welches vor dem Sündenfall bestand,
es ist verschlissen
und schon erfüllt die Angst er könnte dich erdrücken
die letzte Windung deines Hirns.
Wo ausgehöhlte Phrasen ihren Ursprung nahmen
meinst du nun Furcht vor seiner Rache zu erahnen
die Last der Welt fixiert im Brennpunkt deines Seins.
Du denkst des Berges Klagen dringen an dein Ohr
und willst entfliehen, doch wohin du dich wendest,
er lässt dich nicht ziehen. Der Berg er klebt an dir
und seine Stimme glaubst du wahrzunehmen.
Er spricht von Schuld, von Sühne und Maßlosigkeit,
dies alles mischt sich dann mit deinen Tränen
im Niemandsland der Dunkelheit.
So bleibst du quälend lang von unsichtbaren Bändern nun gefangen
dir scheint die Ewigkeit nähm ihren Lauf
sie lösen unerwartet sich mit einem Male
geläutert stehst du danach auf.
Wo eben noch das Fallbeil über deinem Leben wankte,
folgst du den einst gehauenen Wegen,
ob es die Existenz nur deiner Imagination verdankte,
gehst einem neuen Licht nun du entgegen.
Hier geht es darum, dass ein Mensch in einen Berg eindringt, der durch jahrhundertelangen Bergbau in Mitleidenschaft
gezogen wurde. Während der Eindringling sich durch große Kammern bewegt aber auch engste Gänge durchdringt geht ihm durch den Kopf, dass der Berg sich für das, was ihm in der Vergangenheit
angetan wurde rächen und ihn erdrücken könnte. Schließlich befreit er sich von seiner eigenen Imagination, tritt den Weg ins Licht an und beschließt sein Leben zu
ändern.
Morgenerwachen
Ein böser Traum lässt mich nicht los
und raubt mir meine Ruh,
so lieg ich meditierend hier
bei Neumond in der Dunkelheit und grüble immerzu.
Das Sternenzelt am Firmament dreht ganz bedächtig sich,
so ist der Welten Lauf,
neugierig geht mein Blick beständig dort hinauf.
Die morgendliche Kälte zieht durch Mark und Bein,
drum pack ich meinen Körper in zwei Decken ein.
Ganz plötzlich und wie aus dem Nichts gestrickt,
erscheint im Osten ein zunächst noch fahles Licht.
Über den See ziehn dunkelgraue Nebelschwaden
und auf dem Wasser seh ich Haubentaucher baden.
Am Schilfsaum lauern Reiher da und hier,
geduldig wartend auf ein glitschiges Getier.
Schon zischt ein Schnabel wie ein Pfeil ins kühle Nass
und fette Beute endet so in einem langen Hals.
In frühlingshaftem Überschwang ziehn erste Vögel ihre Kreise,
durchpflügen Luft und Wasser so auf wundersame Weise.
Die Welt erwacht, nächtliche Stille ist dahin,
neu definiert der Tag nun seinen Sinn.
Mir ist, als sei ich Zeuge einer Meuchelei,
die Mörder helles Licht und tierisches Geschrei.
Zur Strecke haben sie dich nun gebracht,
leb wohl du Sinne reinigende Nacht.
Winter
Winter, grau in grau alle Tage
sanft schaukeln im Wind die Kastanienzweige
entlaubt, tot!
Darüber das fahle Licht einer mühsam aufsteigenden Sonne.
Winter, vor dir erschauert die Welt
denn deine weißen, kalten Fluten bringen Verderben.
Unsere Seelen, welche im Frühling noch jauchzten, erstarren,
fallen in einen scheinbar unendlichen Schlaf.
Mürrische Gesichter gehen aneinander vorbei.
Masken! Masken vergangener Tage.
Winter, du schneidest mit scharfer Klinge,
du verordnest Ruhe und Einkehr,
doch just in jenem Moment,
wo Schmerz und Kummer uns beinahe zerreißen
rebelliert im Verborgenen die Natur.
Winter, du richtes über Leben und Tod
und bahnst neuem Leben so seinen Weg.
Totengräber
Die Freunde gehn,
der Totengräber grinst,
und ruft mir zu:
"Du magst noch warten"!
Unheimlich! Grauenvoll!
Und doch vertraut zugleich,
winkt träge rudernd er herrüber
mit dem Spaten.
Mir ist als sah ich Ihn als Kind so
flüchtig dann und wann,
doch halb in Trance,
und hinter Nebelschwaden
Ich nahms gelassen, dachte wohl,
nur über Alte hat er Macht,
sieh deine jugendliche Brust,
nie kann er wildern in solch edlem Garten.
Nun, mit den Jahren aber
spür ich seine starke Hand,
jetzt nimmt sie Stück um Stück
was mich an diese Welt kann binden
Und mit den Freunden,
mit den Weggefährten,
die für immer gehn
fühl ich auch meine Kräfte schwinden